Pepe gehört zu den Einzelkämpfern der Straße. Er ist 35 Jahre
alt, Mallorquiner und hat vor zwei Jahren seinen Job als
Bauarbeiter verloren. Seitdem ergänzt er sein Arbeitslosengeld von
426 Euro als Parkeinweiser.
Die sogenannten "aparcacoches" oder "gorilas" haben einen
schlechten Ruf in Palma. Wild gestikulierend weisen sie auf den
Parkplatz hin, den der Autofahrer ohnehin schon gesehen hat.
Dennoch fühlen sich die meisten genötigt, ihnen einen Euro in die
Hand zu drücken. Man sagt, dass sie zahlungsunwilligen Kunden auch
schon mal eine Beule ins Auto treten. "Diesbezügliche Anzeigen gibt
es in letzter Zeit allerdings kaum", sagt der Sprecher der
Ortspolizei von Palma. Der Großteil dieser Einparker stamme aus
Osteuropa und gehöre vermutlich einer Familie an. Nachweise für
eine mafiöse Struktur gebe es nicht, sagt der Polizeisprecher. Das
würde bedeuten, dass andere Einparkhelfer bedroht und verdrängt
würden. Bislang sei das noch nicht nachgewiesen worden.
Pepe hat keine Probleme, weder mit Konkurrenz aus Osteuropa noch
mit der Polizei. Jeden Tag steht er hier auf dem Parkplatz am Paseo
Marítimo, Höhe Discothek "Tito's". Er hat so eine Art Arbeitstag,
immer von 8 bis 15 Uhr. Pro Tag komme er auf etwa 30 Euro, wenn es
gut läuft. "Das ist immer noch besser, als bei dieser Hitze zu
Hause herumzusitzen und nichts zu tun." Seine Eltern sind gestorben
und seinen Brüdern will er nicht auf der Tasche liegen. Mit seiner
Freundin, die eine Frührente bezieht, wohnt Pepe für 250 Euro Miete
in einer Wohnung an der Plaça Columna. "Die Leute kennen mich und
wissen, dass ich niemanden nötige."
Micky Maus winkt und der Kleine läuft begeistert auf die
lebensgroße Stoffpuppe zu. In dem Augenblick weiß der Papa, dass er
gleich sein Portemonnaie zücken muss. Zwar steht das nirgendwo
geschrieben, aber die Leute leben ja davon und der Kleine freut
sich so. Die typische Situation zwischen dem Bedürfnis zu helfen
und dem Gefühl der kleinen, in der Regel charmanten Nötigung.
Am Aufgang zur Kathedrale sitzt ein scheinbar alter Mann
lethargisch an die Mauer gelehnt, vor ihm steht ein Pappschild mit
dem gewohnten Text und ein Schälchen mit etwa drei Euro Münzgeld.
Er hat nur noch wenige Zähne im Mund und spricht ein
unverständliches Spanisch. Nach einigen Missverständnissen wird
klar, dass er Stelian heißt, 53 Jahre alt ist und aus Bukarest
stammt. Seine Frau sitzt ein Stück höher auf der Treppe. Er habe
ein Haus in Rumänien gehabt, das von einem Sturm zerstört worden
sei.
Seit fünf Jahren lebt er auf Mallorca auf der Straße. Wenn man
so will, gehört er der untersten Schicht der Obdachlosen an. "Wir
unterscheiden zwischen Menschen, die permanent auf der Straße leben
und denen, die zeitweise obdachlos sind, dazu gehören einige der
Straßenkünstler", sagt Ana Espinosa vom Roten Kreuz. Sie
koordiniert die Unidad Móvil de Emergencia Social (UMES), die
Mobile Einheit für soziale Notfälle.
Während die Zahl der dauerhaft Obdachlosen, die sich bei der
UMES melden, von 2008 bis 2010 um die Hälfte angestiegen sei, habe
sich die Zahl der zeitweise Obdachlosen von 2007 bis 2010 fast
verdoppelt. In der Regel handele es sich weniger um Menschen mit
Drogenproblemen als einfach um Menschen, die keine Arbeit mehr
haben. Die meisten derer, die Hilfe vom Roten Kreuz annehmen,
stammten aus EU-Ländern.
Jens aus Stuttgart besteht darauf, ein eigenes Dach über dem
Kopf zu haben. Mit zwei Schicksalsgenossen wohnt er in einem
verlassenen Haus unweit des Zentralfriedhofs. Das habe man sich
"genommen". "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", sagt Jens. Sie haben
die Tür mit einem Vorhängeschloss gesichert. Wer trotzdem
eindringt, bekommt Ärger und eine Dachlatte auf den Kopf. Seit elf
Monaten lebt der 30-Jährige auf Mallorca, war damals mit einem
Freund auf die Insel gekommen und hier gestrandet, wie er es
formuliert. "Kartenbetrug, seine Karten waren ungültig. Wir hatten
kein Geld mehr für den Rückflug. Seine Familie hat ihn
zurückgeholt."
Beim Konsulat habe es für ihn fünf Euro für ein Telefonat und
eine Flasche Wasser gegeben. Anrufen konnte Jens aber niemanden,
der ihm half. In Deutschland war er Küchenchef, hat den Job aber
nach dem Tod seines Vaters verloren. In Mülltonnen sucht er nach
Kupfer und Lebensmitteln. Kupfer lässt sich gut an Metallhändler
verkaufen, muss aber mühsam gesucht werden. Wie er wieder aus
seiner Notlage herauskommt, weiß er nicht.
Der Eindruck verfestigt sich: Die meisten versuchen, innerhalb
ihrer Misere einen Rest von Würde zu bewahren. Pepe klopft an die
Fensterscheibe des Autos. "Gibt es in Deutschland momentan viele
Jobs?" - "Ja, es scheint so." - "Muss man dazu Deutsch sprechen?" -
"Ich fürchte ja." "Mist."
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