Bis zur Rückeroberung Mallorcas lässt sich die Geschichte der
Possessió Comassema zurückverfolgen, sagt Fortuny. Jaume I. war es,
der das fruchtbare Tal von Orient im 13. Jahrhundert aufteilte und
an einige treue Gefolgsleute übergab. Fast 600 Jahre lang befand
sich Comassema im Besitz einer einzigen Adelsfamilie, bis es
Joaquín Coll y Castañer im Jahr 1891 kaufte.
Dessen Urenkel Fernando Fortuny versucht nun, das 800 Hektar
große Landgut zu bewahren, was offenbar nicht einfach ist. "Früher
war es so, dass das Land ringsherum den Unterhalt des Hauses
garantierte", sagt er. Heute reiche die Olivenölproduktion jedoch
längst nicht mehr aus. Die Herstellung von Holzkohle in den
umliegenden Wäldern hat sich ohnehin erledigt. "Heute muss das Haus
genügend abwerfen, um die Ländereien zu unterhalten." Also
vermietet Fortuny den Herrensitz für Hochzeiten in historischem
Ambiente. Besitze man eine Possessió, sei es entscheidend, eine
Nutzung zu finden, die die Finanzierung des Besitzes sicherstelle.
"Da das Gut in einem naturgeschützten Gebiet liegt, musst du aber
für alles Sondergenehmigungen beantragen", sagt Fortuny, der nicht
nur selbst Gutsinhaber ist, sondern auch dem mallorquinischen
Verband der Finca-Besitzer vorsteht. Etwa 200 Personen seien in dem
Verband zusammengeschlossen.
"Jeder und alles wird hierzulande geschützt - nur nicht die
Eigentümer", sagt Fortuny. An sonnigen Wochenenden suchen Horden
von Wandersleuten seine Ländereien heim, klettern über die Zäune,
stapfen über die Felder, schmeißen Müll in die Landschaft und
werden dann auch noch frech, wenn er sie zur Rede stelle, sagt
Fortuny. Auf Mallorca schwelt seit Langem ein Streit um die
öffentliche Zugänglichkeit des historischen Wegenetzes, auf dem
sich jahrhundertelang Köhler, Schäfer oder Mönche frei bewegen
konnten - und dabei eben auch die historischen Possessions
überquerten. Viele Fincabesitzer pochen heute jedoch auf ihr
Eigentumsrecht und sperren kurzerhand die Wege, die über ihre
Landgüter führen - was wiederum viele einheimische Wandersleute
nicht davon abhält, sich trotzdem Zugang zu verschaffen. "Ich
schotte mich deshalb immer weiter ab", sagt Fortuny. "Manchmal
komme ich mir schon vor wie in einem Gefängnis." Ähnliche Konflikte
spielen sich auch auf der größten Possessió der Insel ab. Das
Landgut Teix erstreckt sich über rund 2500 Hektar und umfasst Teile
der Gemeinden Bunyola, Valldemossa, Sóller und Deià. Auch die
Geschichte dieser Possessió reicht bis in die Zeit kurz nach der
Rückeroberung der Insel von den Moslems im 13. Jahrhundert zurück.
Damals ließ hier König Jaume II. eine Residenz errichten, der
Legende zufolge für seinen Sohn Sanç, der hier zum einen dank der
klaren Bergluft sein Asthma lindern konnte und andererseits der
Falkenjagd nachgegangen sein soll.
Heute ist zu Füßen des 1062 Meter hohen Teix Pedro Ginard fürs
Jagen zuständig. Er sorgt im Auftrag des Besitzers dafür, dass die
Ziegenpopulation reinrassig bleibt. "90 Prozent aller Tiere hier
auf der Finca gehören der mallorquinischen Rasse an." Ordinäre
Hausziegen werden erbarmungslos abgeknallt. "Da drüben läuft gerade
eine", sagt Ginard und zeigt auf den gegenüberliegenden Berghang.
Er zückt das Schießgewehr und streckt den Eindringling nieder.
Das tut er nicht aus schierer Lust am Töten, sondern weil die
Kontrolle der Ziegenpopulation den Fortbestand des Landguts
sichert, wie er sagt. Am Teix finden regelmäßig Großwildjagden
statt. Dann reisen aus der Ferne Russen oder Nordamerikaner an und
zahlen viele Tausend Euro, um einen kapitalen Ziegenbock schießen
zu dürfen. Anerkennung bringt dies in Jägerkreisen jedoch nur, wenn
es sich um ein Rassetier handelt.
"Früher war diese Finca rentabel, weil es Schafzucht gab und
Getreideanbau, weil in den Wäldern Kohle und Kalk produziert werden
konnte", sagt Ginard. Bis heute zeugen alte Kohlenmeiler und halb
verfallene Kalköfen von jener Zeit. Währenddessen rumpelt der
Geländewagen die holprige Schotterpiste den Berg hinauf.
"Hochzeiten können wir hier nicht veranstalten", sagt er. "Der Weg
ist zu schlecht, da hat sich die Braut schon zweimal übergeben,
bevor sie oben angekommen ist." Also habe man sich der Jagd
verschrieben, um den Unterhalt des Landguts sicherzustellen.
Doch auch hier auf dem Teix tummeln sich an sonnigen Tagen
regelmäßig Ausflügler - obwohl die Possessió ringsherum umzäunt
ist, wie Ginard beteuert. Unmissverständlich weisen Schilder darauf
hin, dass es sich bei der Finca um Privatbesitz handelt. "Man kann
nicht gleichzeitig Jäger und Wanderer auf der Finca haben. Das ist
zu gefährlich", sagt Ginard. "Zumindest sollte man mich vorher
anrufen und fragen, ob gerade Jagdtag ist." Mangelnde
Gastfreundschaft soll man auch hier niemandem nachsagen können.
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