Aus persönlich schweren Krisen, sagt
Pfarrer Klaus-Peter Weinhold im MM-Interview, gehen Menschen oft
eher gestärkt als geschwächt hervor, lebten danach meist intensiver
statt exzessiver. Wäre das schön, wenn sich eine solche bewusstere
Definition von Lebensqualität und Gestaltung von Lebenszeit auch
nach den weltweiten Erschütterungen in Japan oder Libyen bemerkbar
machen würden. Im Moment wankt und schwankt die Welt – auch in
ihrem Versuch, die Geschehnisse einzuordnen, zu begreifen und die
entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen.
Im Notfall schaltet der Mensch auf „Survival-Modus”, sagen
Angstforscher: Auf niedrigster Stufe ist das Gehirn nur noch mit
Primärbedürfnissen beschäftigt, nur so können sich die Menschen in
Japan zurzeit auch vor massiven psychischen Schäden retten. Der
Anblick ihrer zusammengebrochenen Welten, das Ausmaß ihres nicht
enden wollenden Leids, stößt auch an unsere Grenzen: Reicht unsere
Fantasie, unser Mitgefühl, uns vorzustellen, wie sie es schaffen,
jedem neuen Morgen mit einem Rest Hoffnung entgegenzublicken?
Vor allem: Wie lange reicht die „Nächstenliebe” noch, bevor wir
wieder zur Tagesordnung übergehen? Schon sorgt man sich hierzulande
fast mehr über „Finanzströme” (Libyen) und Import-Kontrollen bei
Gemüse aus Japan als ums Überleben der Menschen dort. Diese
Kontamination riecht und schmeckt man nicht, die Furcht ist groß –
gerade vor Dingen, die wir uns nicht vorstellen können. Fukushima
hat sich auch keiner vorstellen können – wie einst 9/11. Wer jetzt
noch über „Beherrschbarkeit” von Atomkraft und Naturgewalten
spricht, entlarvt sein ökonomisches Kalkül: „Restrisiko” und Profit
sind untrennbar verkettet, Ersteres steigt mit dem Zweiten. Was
passiert, wenn man die Realität lange genug ignoriert, sieht man
zurzeit auch in Libyen.
Schlingerkurse und faule Kompromisse, die auf Wählerstimmen,
nationale oder wirtschaftliche Vorteile zielen, werden die wankende
Welt ganz sicher nicht zur Ruhe bringen – nur die entschlossene und
ehrliche Übernahme von Verantwortung.
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