, 17. März – Anders als die Atomindustrie es
bislang immer tat, lässt Jordi Giménez das Restrisiko nicht unter
den Tisch fallen: Ein Erdbeben samt Tsunami wie in Japan, sagt der
mallorquinische Erdbeben-Experte, werde es im Mittelmeer nicht
geben – und schiebt nach: „Aber es ist auch nicht unmöglich!” Nach
der Katastrophe in Asien klingelt bei Geologen und
Naturwissenschaftlern häufig das Telefon, immer wieder lautet die
Frage: Ist ein Unglück wie in Japan auch hier möglich?
Rosa Maria Mateos Ruiz, Direktorin des staatlichen Geologieamtes
(IGME) in Palma verweist auf die Fakten: Einerseits hat es Erdbeben
im Mittelmeergebiet immer wieder gegeben. Andererseits gilt Spanien
als der seismologisch ruhigste Winkel der gesamten Region. Das
gelte auch für die Inselgruppe Korsika-Sardinien-Balearen.
Kein Grund also, sich Sorgen zu machen? Jein. Das Problem ist,
dass die afrikanische Kontinentalplatte schon seit Millionen von
Jahren nach Norden gegen die euro-asiatische Platte drückt. Die
Bruchkanten verlaufen quer durch die Mittelmeerzone, bilden aber
keine einheitliche, gerade Linie. Wo die Platten am stärksten
aufeinander pressen und Druck aufbauen, dort werden am häufigsten
Erdbeben registriert. Davon betroffen ist vor allem das östliche
Mittelmeer, wo Staaten wie Griechenland und die Türkei liegen. „Das
ist eine Region mit hohem Erdbebenrisiko.”
Ungeachtet seiner relativ ruhigen Lage ist Spanien dennoch nicht
frei von Bewegungen in den Tiefen der Erde. Im Einflussbereich der
Kontaktlinie zwischen den Kontinentalplatten liegt insbesondere
eine Zone in Südspanien, die von Granada über Murcia und Almería
bis nach Alicante reicht. Dieser Region ist von den Geologen ein
niedriges bis mittleres Erdbebenrisiko attestiert worden.
„Zumindest in vergangenen Jahrhundert war es dort aber relativ
ruhig”, sagt Mateo mit Blick auf die Statistiken. Doch dem war
nicht immer so: 1884 ereignete sich ein Erdbeben mit Epizentrum in
dem andalusischen Dorf Arenas del Rey. In der Provinz Granada kamen
rund 900 Menschen ums Leben. Seismologen schätzen die Stärke von
damals nachträglich auf etwa 6'7. Messgeräte gibt es erst seit den
1950er Jahren.
Noch intensiver war das Erdbeben von 1755, das Südportugal
heimsuchte und auch die Stadt Lissabon in Schutt und Asche legte.
Rund 200.000 Menschen verloren damals ihr Leben. Das Beben löste im
Meer auch einen Tsunami, eine Riesenwelle aus, die die Südküste und
den Golf von Cádiz heimsuchte. Rosa Maria Mateos hält das damalige
Beben für ebenso intensiv wie jenes, dass nun Japan ins Unglück
stürzte: Stärke neun auf der Richterskala.
Könnte ein Beben dieser Stärke also auch im Mittelmeer einen
Tsunami mit zehn Meter hoher Welle hervorbrechen lassen? „Nicht
jedes Seebeben löst auch einen Tsunami aus”, sagt die Geologin.
Eine Voraussetzung für die zerstörerischen Wassermassen ist ein
Bruch des Erdmassivs in vertikaler Richtung. Der Meeresboden müsse
sich abrupt heben oder senken, um die Wassermassen in solch
verheerende Wallung zu versetzen.
Nach Jordi Giménez, der über Spaniens Erdbebengebiete
promovierte, können auch explodierende Vulkane unter Wasser oder in
Meeresnähe Tsunamis auslösen. In der Antike sei so die Zivilisation
auf der griechischen Insel Santorin ausgelöscht worden.
Auch Mallorca kann sich vor Tsunamis nicht in Sicherheit wiegen.
Im Jahre 2003 löste ein Beben der Stärke 6'3 in Nordalgerien eine
bis zu zwei Meter hohe Welle aus, die in den Hafenbecken von
Mallorca und Menorca Schäden an zahlreichen Yachten und Booten
anrichtete. Zunächst hielten auf Menorca viele den Vorfall für eine
„Rissaga”, das plötzliche Absinken des Wasserspiegels für einen
kurzen Moment, so dass die Boote am Grund aufschlugen und leck
liefen. Die Rissagas werden allerdings durch Wetterphänomene
verursacht. Erst später bestätigte sich, dass die Schäden durch
einen Tsunami verursacht worden waren.
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