, 17. März – Ich komme mit einer guten
Nachricht.” So eröffnete Diego el Cigala, zurzeit Spaniens
berühmtester Flamenco-Sänger, sein Konzert in Palmas Gefängnis.
„Man kommt auch hier wieder raus. Das ist keine Festung. Es gibt
Hoffnung. Aber man braucht Stärke.“ Und schon raste das Publikum.
280 Insassen wurden ausgewählt, an dem Konzert teilzunehmen. „Er
ist mein Heroe“, sagt einer. „Und er weiß, wovon er spricht. Auch
seine Familie kennt Gefängnisse von innen.“
Es ist ein großer Tag im Centro Penitenciario. Presse,
Fotografen, Fernsehen, einige Politiker sind zum großen Tag
gekommen. Nachdem die Besucher die lange Sicherheitsprozedur hinter
sich haben, kommen die Häftlinge in den Saal. In Gruppen, je nach
Sektion, in der sie wohnen. Geordnet und fein gemacht. „Wir haben
unseren feinsten Zwirn angezogen“, sagt einer. „Wir haben wenig,
aber was wir haben, zeigen wir heute.“ Die Männer haben sich
weitaus mehr aufgehübscht als die wenigen weiblichen Häftlinge.
Auf einem T-Shirt prangt ein Aufdruck in Glitzerbuchstaben: „Si
quieres sexo – conmigo sonries“ (Wenn du Sex möchtest, bei mir
wirst du lächeln). Es gibt brandrote Jogginganzüge aus Seide und
abgetragene, sorgfältig in Form gezupfte Hemden, es gibt
Muskelshirts in vielen Variationen und Overalls. Bodybuilding muss
die Liste der Freizeitbeschäftigung anführen. Selten wurden so
viele Muskeln gesichtet.
Ihre Haartracht haben fast alle auf Vordermann gebracht: Die
Modepalette reicht von der Vollrasur über Minipli, Pferdeschwanz,
hüftlanger Mähne bis hin zu Rastalocken. Es riecht nach Tonnen von
Haargel, nach Shampoo und Badezusätzen, nach Zigarettenrauch und
ungelüfteten Klamotten.
Zunächst entstehen lange Diskussionen, wer wo sitzen kann, zumal
nicht für alle Stühle vorhanden sind. Gefängnisdirektor Avilés
beruhigt: „Ob im Stehen oder im Sitzen – auf das Konzert kommt es
an.“
Die Luft vibriert vor Erwartung, die Wartezeit beträgt gefühlte
Stunden. Die ersten „Palmas“, das rhythmische Klatschen beim
Flamenco, hat schon längst begonnen. Und es gibt im Publikum wahre
Meister: „Wir haben doch den Flamenco im Blut, wie El Cigala“, sagt
ein Häftling, offensichtlich ein Roma, wie der Star des Abends
auch.
Und dann kommt er endlich. Im eleganten schwarzen Anzug mit
weißem Hemd, mit Ringen und Ketten und Armbändern. Die langen
Locken leuchten im Scheinwerferlicht, die Lackschuhe blinken: „Olé
Maestro!“, ertönt es vielstimmig. Und es wird erst einmal
mucksmäuschenstill. Doch schnell wird das Konzert zum Dialog
zwischen Sänger und Publikum. Und zum Wunschkonzert. „Sing etwas
Fröhliches, etwas mehr Fiesta“, wird gefordert. Oder: „Sing ein
Stück von Camarón!“ Der 1992 verstorbene Flamenco-Künstler gilt
immer noch als der Größte. Und als das Vorbild von El Cigala.
Jemand bietet sich als begleitender Künstler an.
„Mich schmerzen die Ketten nicht, denn ich habe deine Liebe“,
singt El Cigala. Es fließen Tränen, es gibt Schluchzer. Er singt
von seiner Liebsten, die ihn nie betrügen wird, von sternenlosen
Nächten, von Einsamkeit. 90 Minuten Emotion pur.
Standing Ovations hat Direktor Avilés nicht gestattet. Der
Sicherheit wegen. Doch zum Schluss muss er es doch erlauben. Die
Besucher sollen den Saal zuerst verlassen. Danach die Häftlinge.
Wohlgeordnet und in Gruppen. 280 Augenpaare schauen den Besuchern
nach. Sie gehen nach draußen. Einfach so.
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