Balkon, Erker und Loggia sind
wesentlicher Bestandteil der Fassaden mallorquinischen Stadthäuser.
Als ob man oft dem Sprichwort folgte: Sa casa fa el Senyor - Das
Haus macht den Herrn. "Palma war seit dem 13. Jahrhundert in
permanenter Entwicklung", sagt der Architekt Pere Rebassa, ein
Kenner der Stadtgeschichte. "Deshalb ist die Stadt reich an
Balkonen aus unterschiedlichem Material.
Hier herrscht Schmiedeeisen vor wie bei Can Despuig im Carrer
Montenegro, dort dominiert Stein, meist der viel auf der Insel
verarbeitete Sandstein aus Santanyí, da wieder verbindet sich Eisen
und Stein." Der geschlossene Balkon von Can Formiguera ist als
einer der wenigen aus Holz. Die Fassade des Casal Solleric weist
eine Loggia und schmiedeeiserne Balkone auf. Der repräsentativste
Balkon Palmas, wenn nicht der ganzen Insel, ist der des Rathauses
an der Plaça Cort. "Der Rathausplatz selbst ist eine Fundgrube von
Balkonen und Fassaden jener Form, die im 18. und 19. Jahrhundert
bevorzugt wurden. Hier überwiegt Schmiedeeisen", sagt Pere
Rebassa.
Die Gotik ist durch den Loggien-Balkon des Almudaina-Palastes,
gegenüber dem Westportal der Kathedrale, sowie einem Balkon
gleicher Art am Consulado del Mar, dem Sitz der balearischen
Landesregierung, beispielhaft repräsentiert. Bei beiden Bauwerken
sind noch maurische Einflüsse aus Andalusien sichtbar.
Das 17. Jahrhundert schenkte Palma eine Reihe von prächtigen
Palacios mit reichem Dekor, ausladenden Balkonen, die im
Wesentlichen durch italienische Einflüsse geprägt sind. "Zu dieser
Zeit riss man viele mittelalterliche Häuser ein und errichtete sie
im Stil der neapolitanischen Spätrenaissance und des Frühbarock
aufs Neue. Das gilt besonders für den historischen Altstadtkern
rund um die Kathedrale", so Pere Rebassa. Die Jugenstilbalkone von
Can Aguíla nahe der Plaça Major und die des Gran Hotels bestechen
durch Farben- und Formenreichtum.
Welchen praktischen Zweck der Balkon hatte? Das differiert je
nach Historie und Histörchen. Der ursprüngliche Zweck war offenbar,
mehr Licht und Luft ins Haus zu lassen. Für manchen Neugierigen war
es auch ganz angenehm, das Leben auf der Straße beobachten zu
können, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Ein Privileg, das vor
allem die Frauen für sich in Anspruch nahmen. Um selbst nicht
gesehen zu werden, wünschten sie sich oft einen Anbau, der zwischen
Erker und Balkon liegt.
Im prachtfreundlichen 18. Jahrhundert war der Balkon vornehmlich
als Logenplatz anzusehen, den die Familie bei Festen und
Prozessionen, insbesondere während der Osterfeierlichkeiten
einnahm. Aus angemessener Höhe, über dem "gemeinen" Volk, wohnte
man dem jeweiligen Schauspiel bei: "Allerdings nicht ohne in
gnadenlosem Wettstreit von Balkon zu Balkon Reichtum und
Familienbesitz zu demonstrie- ren. Der Legende zufolge ist der
Höhepunkt dieser Mode- und Schmuck-Show der Adelsfamilien das Fest
Corpus Domini, Fronleichnam, gewesen", sagt Pere Rebassa.
Eine unerschöpfliche Fülle an Balkonformen bieten die Balkone zu
beiden Seiten des Borne. Sie stammen durchweg aus dem letzten
Jahrhundert, als viele Häuser in diesem Stadtbezirk nach neuen
Bauideen "renoviert" wurden. Hier sind Stein und Eisen eine
harmonische Verbindung eingegangen.
Balkone gibt es auch in den Kleinstädten der Insel, in Andratx
etwa, wo Rückkehrer aus dem Exil in Kuba durch den Bau von geradezu
herrschaftlichen Häusern ihren neu erworbenen Reichtum zeigen
wollten. Oder in Sóller, wo der Handel mit Frankreich Wohlstand
brachte. Die Formen und Farben - und was die Hausbewohner mit ihren
Balkonen machen, bestimmen dort das Bild der Häuserfassaden. Die
typisch mallorquinischen Bauernhäuser haben meist keine
Balkone.
Heute dienen die Balkone in den modernen Stadtteilen und
Außenbezirken oft als Abstellraum für Wäsche, Fahrräder oder
Klimaanlagen. Benutzt wie in Deutschland - etwa zum Abendessen mit
der Familie - werden sie nur selten. Auch die vor allem in Bayern
ausgeprägte Kultur der Balkonpflanzen findet man auf Mallorca
kaum.
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