Hochhackige Absätze sind in den Bergen von
Sóller wenig geeignet. Dennoch quälen sich etliche Damen über den
Geröllpfad hinauf in den Olivenhain. Die 120 Mitglieder der
Dienstreise - allesamt Vertriebsmitarbeiter des
Lebensmittelkonzerns Nestlé in Deutschland - richten ihr Augenmerk
auf die blauschwarzen Ölfrüchte. Noch gibt es einige Bäume, die
nicht abgeerntet sind. Landwirt Antonio zeigt den Besuchern, wie
das geht. Er reckt einen vibrierenden Rechen hinauf ins Blattwerk,
die Oliven purzeln auf die am Boden ausgelegten Netze.
Die touristische Stippvisite der Nestlé-Mitarbeiter im Ölberg
ist eines der neuen Konzepte, mit denen die Agrarkooperative von
Sóller die Werbetrommel für ihre Produkte rührt. "Wir müssen neue
Wege finden, um unsere Produkte besser zu vermarkten", sagt José
Piñel, seit Ende 2009 neuer Direktor der Kooperative. Der
Lebensmittel-Ingenieur setzt auf eine Ausweitung des Direktverkaufs
an den Endkunden. Das erbringe für die organisierten Landwirte eine
höhere Rendite, als wenn sie ihre Produkte an den Großhandel
weiterreichten.
Doch wie lockt man die Endverbraucher zum Direkteinkauf nach
Sóller? Hier verfolgt Piñel für Mallorca gänzlich neuartige
Konzepte. "Wir kreieren hier einen emotionalen Erlebniseinkauf für
Reisende und schaffen dadurch einen Mehrwert." Konkret sieht das so
aus: Die Besucher erfahren vor Ort, wie die Früchte zur Ölmühle
gelangen. Sie klauben die Blätter aus den Sammelkörben und helfen
bei der kalten Pressung mit. Das Öl, das duftend aus der Tülle
läuft und abgefüllt wird, können sie gleich mitnehmen. Und im Laden
der Kooperative lässt sich weiteres zukaufen.
Das Sóller-Konzept zeigt: Mallorcas Landwirten und ihren
Agrarorganisationen ist längst bewusst geworden, dass sie aktiv
werden müssen, wenn sie auch in Zukunft erfolgreich ihrer Arbeit
nachgehen möchten. Der Beispiele gibt es mehr: Landwirte wie
Llorenç Payeras etwa setzen auf exklusive Produkte, in seinem Fall
ist es handgemachter Käse von Schafen einer fast ausgestorbenen
Rasse.
Andere Bauern verschreiben sich der ökologischen Landwirtschaft
und verkaufen ihre Waren gemeinsam auf Lokalmärkten. Im Sommer 2007
wurde so der erste Öko-Markt Spaniens auf dem traditionellen
Sonntagsmarkt von Santa Maria eröffnet. Im September vergangenen
Jahres kam auf der Plaza de los Patines in Palma ein weiterer
hinzu. Ende Januar nun wird es im Rahmen des Sonntagsflohmarktes
von Marratxí einen dritten mit Öko-Produkten geben, sagt Gabriel
Torrens vom mallorquinischen Bauernverband Unió de Pagesos.
Neu ist auch eine enge Zusammenarbeit der Agrarkooperativen
untereinander. Da jede von ihnen auf andere Produkte spezialisiert
ist (Olivenöl, Mandeln, Lammfleisch, Aprikosen, Feldfrüchte),
wollen sie ihre Waren austauschen und auf diese Weise mehr
Direktkunden in die jeweils betriebseigenen Läden locken.
Die Balearen-Administration fördert ihrerseits die Produktion
von lokalen Lebensmitteln mit einer neuen Kennzeichnung.
Das Handeln der Landwirte und der Agrarverwaltung ist notwendig,
denn die Tendenzen für die Agrarwirtschaft sind
betriebswirtschaftlich alles andere als Erfolg versprechend.
Während in vielen Bereichen wie der Milcherzeugung, dem
Trockenfrüchte- und dem Gemüseanbau die Preise für die Produkte
seit 20 Jahren stagnieren, haben sich die Kosten der Produktion
vervielfacht. Rentabel kann da kaum ein Betrieb arbeiten. Viele
Bauern gaben auf und suchten sich andere Jobs. "1986, als Spanien
der EU beitrat, gab es landesweit 2'6 Millionen Landwirte. Heute
sind es nur noch 600.000", sagt Pagesos-Präsident Torrens. Und die
meisten seiner Kollegen stehen kurz vor der Rente.
Ein ähnlich negatives Bild zeichnet der Präsident des
Agrarverbandes Asaja, Gabriel Company. Außer der Wein- und
Ölproduktion habe im vergangenen Jahr kaum ein Agrarbereich gut
dagestanden. Den Kartoffelbauern von Sa Pobla machte das Wetter
einen Strich durch die Rechnung. Doch nicht alle ungünstigen
Faktoren ließen sich mit Hagel, Sturm und Regenflut erklären. "Wir
sind abhängig von der Globalisierung. Dort werden die Preise
gemacht. Wie sonst ist zu erklären, dass die Preise für Tierfutter
in nur sechs Monaten sich mehr als verdoppelt haben?" Während
Company undurchsichtige "Spekulationsmanöver" auf dem Weltmarkt
argwöhnt, beklagt Torrens "mafiöse Strukturen", die kein Interesse
an transparenten Warenwegen haben.
Beide Funktionäre appellieren an den Endverbraucher, sich für
lokale Produkte zu entscheiden, um die heimische Agrarwirtschaft zu
unterstützen. Ungeachtet aller Probleme und Umbrüche geben sich die
zwei optimistisch. Landwirte werde es auf Mallorca auch in Zukunft
geben, sind sie überzeugt. Die Betriebsformen werden sich aber
wandeln. Wie genau? Das können auch Torrens und Company nicht
sagen.
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