Wichtigtuer, Aufschneider, Hochstapler,
und Abenteurer haben immer wieder gerne ihr Unwesen auf Mallorca
getrieben. Menschen, die hochtrabend Projekte ankündigten oder
große Investitionen versprachen, die dann nicht kamen. Es sind
schillernde Persönlichkeiten, die sich gut zu verkaufen wissen,
prominent, halbseiden, mitunter gar kriminell, teils von
gewinnendem Charme. Sie geben eher kurze als lange Gastspiele auf
der Insel und ziehen weiter, wenn ihnen Gläubiger oder
Ermittlungsbehörden zu nahe kommen. Im Archiv des Mallorca Magazins
findet sich so mancher Lebenslauf dieser Art.
Der Besuch dieser zweifelhaften Protagonisten hat seinen Anfang
nicht erst mit dem Beginn des Massentourismus in den 1960er Jahren
genommen, sondern war schon zu früheren Zeiten auf Mallorca zu
beobachten gewesen. Auf eine besonders skurrile Persönlichkeit
stieß der deutsche Gymnasiallehrer und Forscher Gerhard Lang im
Rahmen seiner Promotionsarbeit über die Geschichte Andorras, die
demnächst veröffentlich wird. Es handelt sich um Boris Skossyreff
(andere Schreibweise: Skossyrew), einem russischen Adeligen, von
dem es mindestens zwei Geburtsdaten gibt: 1896 und 1900. Skossyreff
ließ sich 1934 in dem winzigen Pyrenäenstaat zwischen Spanien und
Frankreich unter fragwürdigen Umständen zum König wählen. Schon
wenige Tage später wurde „Boris I.” im Auftrag des Bischofs von
Urgell von der spanischen Guardia Civil festgenommen und später
nach Portugal abgeschoben. In Büchern von Andorra-Kennern wie Lluis
Capdevila wird die russische Episode in der Geschichte des
Zwergstaates als lächerlich und komödienhaft dargestellt.
Kurioserweise hatte Boris Skossyreff vor seinem „Königtum” in
Andorra ein Vorspiel auf Mallorca. Gerhard Lang, der bei seiner
Suche nach Quellen und Dokumenten von MM unterstützt wurde,
kramte einen filmreifen Stoff aus. Es handelte sich um einen
ungeahnten Mix aus Sex, Intrigen, kriminellen Machenschaften und
Gerichtsprozessen.
Boris Skossyreff hatte es um 1933 nach Mallorca verschlagen.
Geboren im zaristischen Vilnius, war er als junger Mann der
Russischen Revolution nach England entkommen. Dort soll er für den
britischen Geheimdienst angeworben worden sein. Später schlug er
sich, wie Lang schreibt, als Scheckbetrüger und Hochstapler durch
Europa durch, saß deswegen in deutschen und französischen
Gefängnissen, bis er schließlich auf Mallorca landete, wo sich eine
internationale Gemeinschaft an Ausländern in Port de Pollença und
im Villenviertel von El Terreno breitgemacht hatte. In Palma lernt
der Russe die US-Amerikanerin Florence Marmon kennen. Sie ist
reich, einsam und seit ihrer Scheidung pausenlos in Europa auf
Achse. Ihr Ex-Mann Howard Marmon ist einer der Pioniere der
Autoindustrie in den USA. Für die 52-Jährige muss die Beziehung zu
dem 33 (?) Jahre alten, attraktiven und polyglotten Russen wahre
Liebe gewesen sein, für ihn – einem Mann mit einer reichen Palette
an amourösen Liebschaften – vermutlich eher ein Mittel zum Zweck.
Man lebt in dem von Florence Marmon gemieteten Haus, wobei
Skossyreff rasch zahlreiche Bekanntschaften in der quirligen
Partyszene der Ausländerkolonie zu machen versteht.
Mitunter trifft man auch auf seinesgleichen: Da ist etwa ein
österreichisch-ungarisches Adelspaar, das sich die Freundschaft zu
Florence Marmon erschleicht und sie ausnutzt. Das Ergebnis sind am
Ende Geldstreitigkeiten, die vor Gericht landen. Es geht um
geplatzte Schecks, widerrechtlich geöffnete Briefe, Verleumdung, et
cetera.
Noch vor Prozessende siedelt Skossyreff im Dezember 1933 mit
Marmon als seine „Privatsekretärin” nach Andorra über. Der
Bergstaat ist bereits damals für reiche Angelsachsen als Skizentrum
beliebt. Skossyreff verspricht den einheimischen Unternehmern
gewaltige US-Investitionen, sollten sie ihn aufgrund seines
adeligen Stammbaums zu ihrem König ernennen. Dazu lässt er
Postkarten von sich drucken, als „Boris I.” in angeblich
andorranischer Landestracht. Eine solche Aufnahme fand sich
überraschend auf Mallorca, da der Bergkönig seine Bekannten auf der
Insel gerne an seinen Erfolgen in den Pyrenäen teilhaben lassen
wollte.
Vermutlich ließen die Andorraner den Russen ein paar Tage lang
„spinnen”, bis jemand den Bischof, das eigentliche Staatsoberhaupt,
in Kenntnis setzte. Damit kam das Aus für den Operettenkönig.
Während Marmon deprimiert in die USA zurückkehrte, wurde
Skossyreff zunächst inhaftiert und anschließend abgeschoben. Nach
weiteren wirren Jahren fand er sich wegen seiner
Russisch-Kenntnisse als „Sonderführer” in der Wehrmacht an der
Ostfront wieder. Diese Einsätze brachten ihm später eine deutsche
Rente ein, der Ort Boppard in -der Pfalz wurde ihm zur Heimat, wo
er 1989 starb. Ob er sich davor noch einmal auf Mallorca gesonnt
hatte?
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