Weihnachten kriegt dieser Begriff noch
mal eine ganz besondere Bedeutung: Familie. Die Menschen rücken
zusammen, keiner kann sich jetzt so ganz einem verstärkten
Bedürfnis nach Zusammenhalt, Geborgenheit, auch ein bisschen
Sicherheit, verschließen. Gerade in Krisenzeiten, die von
anhaltender wirtschaftlicher und damit sozialer Unsicherheit sowie
wachsender Mobilität geprägt sind, bekommt die Sehnsucht nach
familiären Banden aber auch etwas Universelles.
Für den „Zukunftspapst” Professor Dr. Horst Opaschowski
jedenfalls besteht kein Zweifel, dass die „Renaissance der Familie”
unmittelbar bevorsteht. Die „Rast- und Ruhelosigkeit unseres
Lebens” habe diese Sehnsucht noch verstärkt, sagt er im
MM-Interview: „Gib mir Wurzeln - denn ich habe keine mehr.”
Back to the roots? In Deutschland und Spanien herrschte lange
Zeit ein recht unterschiedliches Familienverständnis. Gerade
deutsche Residenten, durch ihre Partner womöglich noch in eine
mallorquinische Familie „hineingewachsen”, erleb(t)en diese
Unterschiede anfangs oft als krass – und ganz schön anstrengend
dazu. Großclan-Treffs an allen erdenklichen Geburts-, Namens- und
Feiertagen, dazu das obligatorische ausschweifende
Sonntagsmittagessen bei den Großeltern: Für nicht wenige
Neu-Insulaner eine fast unzumutbare Belegung der Freizeit und mit
deutschen Vorstellungen nur schwer vereinbar.
Ausgerechnet diese generationsübergreifenden Traditionen und
Beziehungen, im südländischen Raum schon immer gang und gäbe,
sollen nun, laut Wissenschaftler Opaschowski, verstärkt auch in
Deutschland wieder zum Familienkonzept erhoben werden: Großeltern
hüten die Enkel, die Jungen sorgen für die Alten. Fürsorge auf
privater Ebene statt Versorgung durch den Staat.
Das aber ist heute nur ein Modell unter vielen – der Begriff
Familie hat inzwischen so viele Facetten wie die Vielfalt moderner
Lebensformen. Auch auf Mallorca oft zu finden ist die
Patchwork-Familie, für deren meist zahlreichen Mitglieder gerade
das bevorstehende Weihnachtsfest ein willkommener Anlass zur
persönlichen „Wiedervereinigung” ist. Wobei für die meisten
feststeht: Emotionale Nähe erfordert keineswegs das Zusammenleben
unter einem Dach – im Gegenteil. In unserer stets unter Termindruck
stehenden Leistungsgesellschaft scheint die Flexibilität moderner
Kommunikationsmittel die regelmäßige persönliche Begegnung
inzwischen perfekt zu ersetzen.
Wobei: Etwas „körperliche Präsenz” scheint dennoch unumgänglich.
Und so spielt der Begriff „Wahlfamilie”, besonders auch unter
Mallorca-Residenten, wie viele berichten, eine zunehmend wichtige
Rolle im Alltag. Gute Nachbarn gehören dazu genau wie neu gefundene
Freunde, denen man vertraut. Gerade bei der einen oder anderen
persönlichen Krise hilft oft nur ein „Gespräch unter vier Augen” –
da können die zweieinhalb Flugstunden nach Alemania den
entscheidenden, feinen Unterschied ausmachen.
Ansonsten halten sich emotionale wie sachliche Gründe für die
Wiederentdeckung der Familie wohl die Waage – und räumliche
Entfernungen stellen dabei in unserer globalisierten Welt
inzwischen eines der geringsten Probleme dar. Selbst über eine
eventuelle künftige Pflegebedürftigkeit von Eltern im höheren
Alter, die in Deutschland zurückgeblieben sind, müssen sich
Mallorca-Residenten heute immer weniger Sorge machen: Auch
Lebensmittel lassen sich von hier aus via Internet-Bestellung
bequem per Lieferdienst direkt ins Haus schicken.
Verbundenheit und Verantwortung: Auch wenn diese klassischen
Werte der Familie heute in vielerlei Formen der Kommunikation und
des Miteinanders auftreten, ist unsere frühere
„Wohlstandsgesellschaft” ganz offensichtlich dabei, den Reichtum
intakter sozialer Beziehungen im Familien- und Freundeskreis neu zu
entdecken. Hat doch was – nicht nur zum „Fest der Liebe”.
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