Jaume Santandreu ist mächtig stolz auf
die Veränderungen in Can Gazá. Der rebellische Priester führt seit
mehr als 20 Jahren das Obdachlosenhospiz in Palmas Stadtteil Es
Secar de la Real. 30 Männer leben hier, im Alter zwischen 25 und 80
Jahren. Sie haben die ganze Palette des Elends erlebt: zerrüttete
Familien, Arbeitslosigkeit, Alkohol, Drogen oder Spielsucht,
Kriminalität, Gefängnis – und dann das Ganze wieder von vorne.
Irgendwann streiken Körper und Seele. Manche bleiben kurz, andere
sind schon seit acht oder zehn Jahren hier.
José ist einer, der schon lange da ist. Als kleiner Junge
erkrankte er an Kinderlähmung, wurde mehrfach operiert, und leidet
an Epilepsie. Er ist Metzger von Beruf, hat als Losverkäufer
gearbeitet. Es war immer schwierig für ihn, aber mit dem Alkohol
wurde es noch schwieriger. Vor allem, als Gewalt ins Spiel kam.
Seine Familie hat er längst verloren.
Er ist nur einer von vielen. Und die wenigsten möchten über
ihren Lebenslauf sprechen. In Can Gazá finden sie ein Heim, bis zum
Ende. Hier leben Menschen, die krank sind im letzten Stadium: Aids-
und Krebskranke, ehemalige Alkoholiker und Drogenabhängige.
Menschen, die keinen Lebenswillen, keine Perspektive, keine Chance
mehr haben.
Das Haus hat eine mallorquinische Familie zur Verfügung
gestellt. Und die Bewohner halten es tipptopp in Ordnung. Die Küche
führt Jaume Santandreu selbst, gemeinsam mit José.
Knapp die Hälfte der Bewohner kann im Haus helfen: waschen,
putzen, die Hühner, Schafe, Schweine und Truthähne versorgen oder
im Gemüsegarten arbeiten. So ist ein großer Teil der
Selbstversorgung gesichert. Wer kann, kümmert sich um jene, die
nicht mehr mobil sein können. Unterstützung von Behörden gibt es
nicht. Alle Kosten werden aus Spenden finanziert. So war es und so
ist es bis jetzt.
„Seit der Krise“, sagt Jaume Santandreu, „hat sich das Profil
des Bedürftigen geändert. Immer mehr Menschen werden zu
Außenseitern, fallen aus dem sozialen Netz. Jetzt bieten wir auch
,gesunden Obdachlosen mittags eine warme Mahlzeit. Manche kommen
zu Fuß aus dem Zentrum von Palma.“
Fast glaubt man Spott zu hören, wenn er sagt: „Heute kommen die
Obdachlosen mit Auto und Handy.“ Doch es ist bitter-ernst.
Menschen, die noch vor zwei, drei Jahren ganz normal einem Beruf
nachgingen, eine Firma hatten, wurden arbeitslos oder insolvent,
waren bald ohne Familie, ohne Wohnung: „Manchmal ist das Auto die
letzte Zuflucht. Dort wohnen und schlafen sie. Ganz klar, dass das
nicht lange gutgeht“, sagt Jaume Santandreu.
Mittellose Emigranten sind ein weiteres, neueres Problem: „Bei
jenen, die es auf Mallorca nicht geschafft haben, herrscht große
Gewaltbereitschaft. Dem sind die herkömmlichen Obdachlosen nicht
gewachsen. In leer stehenden Häusern, wo man vielleicht noch
übernachten könnte, geht es schnell zur Sache.“
Für eine ganze Familie ein einziges Zimmer mit Außenbad und
Kochgelegenheit kann bis zu 300 Euro pro Monat kosten: „Da machen
auch viele Mallorquiner gute Geschäfte“, sagt Jaume Sant-andreu.
Eine „Cama Caliente“, ein Bett, das nur stundenweise zum Schlafen
vermietet wird, ist zwar preiswerter, aber für Santandreu
menschenunwürdig.
Can Gazá ist oft die einzige Anlaufstelle. Seit knapp zwei
Jahren gehört auch die Casa Llarg dazu. Das Gebäude direkt neben
dem neuen Krankenhaus Son Espases an der Straße nach Valldemossa
war von einem Ausländer gemietet worden. Er wollte dort ein großes
Geschäft aufziehen, verschwand aber schnell wieder, ohne je einen
Pfennig gezahlt zu haben.
Die mallorquinischen Besitzer konnten das Haus nicht halten, es
stand zehn Jahre leer, bis sie es an Sant-andreu übergaben, der es
mit seinen Leuten in zweijähriger Arbeit säuberte und renovierte.
Jetzt werden dort gebrauchte Möbel aufgearbeitet, Kleider
gesammelt, Fernseher repariert. Und an Bedürftige verkauft.
„Damit können wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen:
Unsere Leute und andere Obdachlose haben etwas zu tun und die
Bedürftigen können das, was sie brauchen, für ganz kleines Geld
kaufen. Das wahrt ihnen die Würde.“
So gibt es Schränke für 20 Euro, Kleidungsstücke für 50 Cent.
Und alles, was es sonst auf einem Flohmarkt gibt. Ein Teil der
gespendeten Kleidung wird an das Gefängnis von Palma abgegeben.
Manchmal arbeiten dortige Freigänger auch in der Casa Llarg.
Menschen, in welcher sozialen Situation auch immer, ein würdiges
Leben zu ermöglichen, ist eines der Hauptanliegen von Jaume
Santandreu. In der Casa Llarg gibt es einen kleinen
Ausstellungsraum, eine Bibliothek, in der man Bücher für ein paar
Cent kaufen kann, und einen Mittagstisch für täglich etwa 50
Bedürftige. Und natürlich die Werkstätten, wo alle Spenden
gesäubert und aufgearbeitet werden.
Alberto Guzman, Bewohner von Can Gazá und Santandreus rechte
Hand, hofft auf Dauer auf einen schwunghaften Handel. Findige
Käufer können ein Schnäppchen machen. Denn jeder Cent zählt.
INFO
Can Gazá. Carrer Vicari 33, 07010 Palma (Secar de la Real) Tel.
971-768445. Kontonummer: Caixa 2100 1406 1802000639 59. Spenden
willkommen.
Casa Llarg, Palma, Ctra. de Valldemossa 86. Geöffnet von DO bis
SA von 9 bis 13 und von 16 bis 19 Uhr. Hier sind Kleidung, Möbel,
Haushaltsgegenstände, Spielzeug willkommen.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.