Als Benito Mussolini das Mittelmeer für
das faschistische Italien reklamierte und beständig vom „Mare
Nostrum” schwadronierte, entwickelte eine Gruppe von Künstlern auf
Mallorca ihre ganz eigene Version vom Traum des „eigenen Meeres”.
Ihr schwebte eine Villensiedlung direkt am Wasser vor, mit
schmucken Häuschen im Schatten von Kiefern, abgelegen von jeglichem
Trubel und ganz der kontemplativen Ruhe gewidmet. Und tatsächlich
haben diese Kulturschaffenden ihren Traum verwirklichen können,
just in jenen 1930er Jahren, noch bevor 1936 der Spanische
Bürgerkrieg ausbrach. Die kleine Gartenstadt war die Keimzelle des
heutigen Küstenortes Cala d'Or im Osten Mallorcas. Die
Künstlersiedlung gilt als eine der ersten touristischen
Urbanisationen der Insel außerhalb Palmas. Noch heute sind die
Straßenzüge dort, wo das Vorhaben begann, weitgehend unverändert
erhalten geblieben.
Die Ansammlung der weißen Häuser mit ihrem architektonischen
Baustil, den weitläufigen grünen Gärten und dem direkten Meerzugang
über Stufen ans Wasser bildet eine gelungene Einheit. Ziel der
Planer war es gewesen, die Gebäude harmonisch in ihre natürliche
Umgebung einzufügen und den existierenden Baumbestand so weit wie
möglich zu erhalten. Diese damaligen Vorgaben ließen ein Ensemble
von kulturhistorischer Bedeutung entstehen. Aus diesem Grund hat
der Inselrat Mallorcas am 8. Oktober zwölf Gebäude der Siedlung zu
Kulturgütern erklärt und unter Bestandsschutz gestellt. Das
bedeutet, dass die baulichen und ästhetischen Charakteristika der
Immobilien von den Eigentümern zu pflegen und zu bewahren sind.
Ein Gang durch die Siedlung, die unmittelbar hinter den
Restaurant- und Ladenzeilen von Cala d'Or beginnt, führt in jene
Atmosphäre, wie sie die Künstlergruppe einst für sich geschaffen
hatte: In den Straßen wird es still, durch die Kronen der
stattlichen Kiefern lässt sich das Rauschen der Wellen vernehmen,
in den Gärten blüht die Pracht der mediterranen Pflanzenwelt.
Der Galerist und Zeichner Josep Costa Ferrer (1876-1971) war der
Initiator der Siedlung. Er kaufte den jungfräulichen Küstenstreifen
1933 und parzellierte das Terrain, um Platz für 48 Villen, ein
Hotel, eine Kirche und Sportanlagen zu schaffen. Zwei Straßen
wurden angelegt, als Naturstraßen ohne Asphalt und Belag, die
Kiefern auf der Fahrbahn ließ man stehen. Die Planung war
großzügig, kunstvoll, mit Freiräumen für die künstlerische Seele,
samt einem Platz, dem „Plaça de Mare Nostrum” und entsprechender
Frauenskulptur von 1933 sowie einem Park. Der Ibizenker Costa legte
auch fest, wie die Häuser auszusehen hatten, die sich dort die
Privatinvestoren errichten durften. In Anlehnung an den
traditionellen Baustil seiner Heimatinsel, der womöglich noch von
den alten Phöniziern herrührt, mussten die Gebäude weiß sein, nicht
höher als zwei Stockwerke, mit kubisch-kompakten Baukörpern und
Flachdächern. Ziegelgedeckte Schrägen kamen meist nur als
Schattenspender vor, die Fenster wiesen grüne Klappläden auf.
Kombiniert wurde der Baustil mit modernem Komfort.
Eine illustre Gesellschaft kaufte sich dort ein: Etwa die
Hollywood-Schönheit Natacha Rambova, der spanische Kinoproduzent
Ramon Baldet, der Stadtplaner Felipe Bellini, der mallorquinische
Maler Hermenegildo Anglada Camarasa sowie sein Kollege Médard
Verburgh. Dem Belgier folgten diverse Landsleute, die „Avenida
Bélgica” erinnert an jene „Invasion”. Zwei Häuser errichtete die
österreichische Künstlerin Lene Schneider. Bei Ausbruch des
Bürgerkrieges zog sie wie Natacha Rambova nach Amerika.
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