Wie „Woodstock” sagt Janucz Reichenbach,
käme ihm das ganze Szenario rund um die chilenische Mine von San
José vor, wo die spektakuläre Bergung der 33 verschütteten
Bergleute unter den Augen der Weltöffentlichkeit ihren Lauf nimmt:
„Knapp 2000 Journalisten aus aller Welt, Zelte, Ü-Wagen in
steiniger Wüste – ein bizarres Bild.” Der selbstständige Kameramann
und Geschäftsführer von „Panoramallorca”, der seit elf Jahren auf
der Insel lebt, hat die so dramatische wie emotionsgeladene
Rettungsaktion hautnah miterlebt und berichtet MM
telefonisch direkt vom Ort des Geschehens aus von seinen
Eindrücken.
Um 4:35 Uhr (Ortszeit) brandet in Camp Esperanza erlösender
Jubel auf: Mit Florencio Ávalos ist Nummer eins der 33
verschütteten Bergleute aus seinem steinernen Gefängnis befreit.
Endlich: Das Drama um die eingestürzte Gold- und Kupfermine in San
José in der Atacama-Wüste scheint ein gutes Ende zu nehmen, die
Menschen weinen, lachen, applaudierten, fallen einander in die
Arme: „Sehr bewegende Momente.”
Für die Sat.1-Sendung „Kerner” hält Janucz Reichenbachs Kamera
eine besonders persönliche Familiengeschichte am Rande der
Rettungsszenarien fest: Gemeinsam mit Elizabeth Segovia wartet er
auf die Bergung des vorletzten Bergmannes mit der Nummer 32 – „Die
Reihenfolge ist genau festgelegt” –, ihrem Ehemann Ariel, der in
den vergangenen 69 Tagen, die er mit seinen Kumpels in über 600
Meter Tiefe im Berg eingeschlossen war, Vater geworden ist.
Esperanza heißt seine kleine Tochter, die vor knapp sechs Wochen
das Licht der Welt erblickt hat – wie der Name des Camps, in dem
Angehörige und Freunde der verschütteten Bergleute seit über zwei
Monaten ausharren, weil sie die Hoffnung auf Rettung der
Eingeschlossenen nie aufgegeben haben. Ariel wird seine Tochter im
Krankenhaus zum ersten Mal sehen können, denn wenn die Männer aus
der eigens gefertigten Rettungskapsel befreit worden sind – der
Aufstieg aus 600 Meter Tiefe in der
56-Zentimeter-Durchmesser-Kapsel dauert mit 15 bis 20 Minuten
weniger lang als zuvor erwartet –, herrscht ein genaues Reglement,
das die gesundheitliche Unversehrtheit der Geborgenen garantierten
soll, berichtet Janucz Reichenbach: „Die Männer dürfen kurz ihre
nächsten Angehörigen begrüßen, dann folgt eine
Schnell-Desinfektion, danach ein vierstündiger Medizin-Check in
einem Lazarett-Zelt hier vor Ort.” Anschließend, so der Kameramann,
werden die Bergleute per Helikopter in ein nahe gelegenes
Krankenhaus geflogen, wo sie 48 Stunden lang unter ärztlicher
Beobachtung blieben: „Und hier wird Ariel Segovia seine kleine
Tochter zum ersten Mal zu Gesicht bekommen.”
Bis zum Wochenende wird Janucz Reichenbach auf jeden Fall noch
in Chile bleiben, die Dreharbeiten unter einfachsten Bedingungen
seien zwar recht hart gewesen – „Nachts sinkt das Thermometer
schnell auf null Grad” – , die persönlichen Erlebnisse aber auch
von besonderer Qualität: „Vor allem ist es schön, auch einmal von
so überaus positiven Entwicklungen berichten zu können.” Klar ist
aber auch schon jetzt: Nach dem Jubel über die Rettung steht den
Bergmännern die Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse bevor.
Experten sind sich einig: Eingeschlossen im Bergwerk lässt man
Ängste gar nicht zu. Auch Enrique Chia, Psychologe an der
katholischen Universität Chile, prognostiziert: „Das alte Leben ist
vorbei.”
Zu sehen ist der Beitrag von Janucz Reichenbach am Donnerstag,
14. Oktober, bei „Kerner” (Sat.1, 22.50 Uhr).
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