Warum heißt der Platz unterhalb des
Borne in Palma, mit dem Springbrunnen in seiner Mitte, „Plaza
Reina”? Weil er nach der spanischen Königin benannt ist. Korrekt,
aber nach welcher? Es handelt sich eben nicht, wie man annehmen
könnte, um Sofía, die Frau von König Juan Carlos, der dem Platz mit
dem Schildkrötenbrunnen oberhalb des Borne den Namen gab. Die
untere „Plaza Reina” geht zurück auf seine Ururgroßmutter, Spaniens
Königin Isabel II de Borbón (1830-1904). Anlass der Namensgebung
war 1860 der einzige königliche Besuch Isabels auf Mallorca, ein
Datum, das sich jetzt im September zum 150. Mal jährte.
Wo heute Busse und Autos um die Fontäne des runden
Springbrunnens kurven, befand sich einst ein stattliches Standbild
der Königin, das mit dem prunkigen Marmorsockel gut acht Meter hoch
gewesen sein dürfte. Es sollte ihr zu Ehren enthüllt werden,
offenbar zu ihrem Besuch, doch vermutlich verzögerten sich die
Bauarbeiten, so dass das weiß-glänzende Ebenbild der Majestät erst
1863 aufgestellt wurde.
Lange stand das Monument dort nicht. Mit der „Glorreichen
Revolution” in Spanien fünf Jahre später rissen aufständische
Bürger es vom Sockel und zerstörten es. Als Datum haben die
Chronisten den 1. Oktober 1868 festgehalten.
Doch nicht alle Mallorquiner hatten sich von ihrer Königin
abgewandt. Monarchisten fanden sich im Inseladel. Einer von ihnen
nahm sich der Trümmer der Statue an und brachte sie auf seinen
Landsitz in die Nähe von Sineu. „Ich glaube, er tat es nicht nur
aus Respekt vor der Königin, sondern auch aus Liebe zur Kunst, zur
Schönheit und aus Achtung vor der Kultur”, erklärt ein Nachkomme
die Motive seines Vorfahren. Der Mann, der sich schlicht mit „Pepe”
vorstellt und dennoch einen traditionsreichen Adelstitel Spaniens
trägt, geleitet durch den Garten seines Anwesens, das sich seit
Jahrhunderten im Familienbesitz befindet. Die letzten Schritte
führen über knirschenden Schotter vorbei an Palmen und Pool in den
hintersten Winkel. Dort, wo eine schmiedeeiserne Pforte den Weg in
den dahinterliegenden Eichenwald freigibt, hat die Suche ein Ende:
Auf dem gemauerten Sockel der Türe ist der Marmorkopf
festzementiert, und das schon seit hundert Jahren. Der Stein deutet
das Gesicht einer Frau an, das Haupt ist bearbeitet im Stil
klassizistischer Bildhauerkunst. Die weißen Augen starren
beunruhigend ins Leere, die Nase ist – vermutlich beim
revolutionären Sturz auf das Straßenpflaster – abgeschlagen worden,
die Lippen sind wie zum Seufzer leicht geöffnet. Schwarze, braune
und gelbe Flechten überziehen den hellen Stein und geben dem
Antlitz ein unheimliches, unheilverkündendes Aussehen. Auf dem
Türsockel gegenüber befindet sich ein zweites Trümmerstück: Es
zeigt ein halbes Wappen und eine flammende Kanonenkugel, vermutlich
eine artilleristisches Symbol. Isabel hätte sich vermutlich nie
träumen lassen, dass das Haupt ihres Standbildes einmal in der
Stille eines edlen Gartens seinen noblen Ruheplatz finden
würde.
Zu jenem Zeitpunkt, als das Monument gewaltsam zerbarst, war der
Besuch der Königin auf Mallorca längst passé. Isabel war am 12.
September 1860 samt Gatten, Kindern und Entourage in Palma an Land
gegangen und hatte zunächst die Kathedrale, die Seehandelsbörse
Llonja und das Rathaus der Stadt besucht.
Die damals 30 Jahre alte Frau bekam als königliche Touristin
mehr von der Insel zu sehen als nur Palma. Noch heute wird in dem
prächtigen Herrenhaus von Alfàbia ein in rotem Samt gekleidetes
Schlafzimmer gezeigt, in dem Isabel genächtigt haben soll. Das
Landgut, das sich heute unweit der Einfahrt zum Sóller-Tunnel
befindet, lag zu jener Zeit angeblich eine Tagesetappe von Palma
entfernt, wenn man mit Pferden unterwegs war. Zumindest wollte man
der Königin am selben Tag nicht auch noch den Aufstieg der
Pass-Straße zum Coll de Sóller zumuten.
In Alfàbia bewohnte Isabel das schönste Zimmer mit Blick in den
Garten. Davon kann man sich noch heute in dem Museum überzeugen.
Ein anderer Winkel der Anlage mit Palmen und Springbrunnen war
eigens zu ihrem Besuch neugestaltet worden. Die beschattete Oase
heißt noch heute „Das Gärtchen der Königin” (Jardinet de la
Reina).
Ein weiterer Wasserspender ziert jenen Weg, den Isabel in
Richtung Sóller hinter sich brachte. Folgt man dem Verlauf der
kurvenreichen Bergstraße über den 497 Meter hohen Pass und wieder
talwärts, dann erscheint nach wenigen Kilometern rechterhand ein
verwunschen wirkender Brunnen, beschattet von sechs altersschwachen
Akazien. Die Inschrift erinnert daran, dass er im Jahre 1862 unter
der Regentschaft Isabels fertiggestellt wurde. Die Stelle war
damals auf dem schwierigem Landweg Palma-Sóller eine wichtige
„Tankstelle” für Mensch, Maulesel und Pferd. Die Wasserquelle wurde
vermutlich auf Veranlassung der Königin eingefasst. Heute befindet
sich der Brunnen in einem bedauerlich ramponierten Zustand.
Von Sóller aus kehrte Isabel mit dem Schiff zurück aufs
Festland. Der Besuch auf der Insel fiel kürzer aus als geplant, zur
Enttäuschung von so mancher Gemeinde. Denn auch in Capdepera hatte
man sich auf ihre Visite eingerichtet. Dort hatte man Isabel die
Höhlen von Artà bei Cap Vermell zeigen wollen. Zu diesem Zwecke war
als neuer Zugang eine opulente Freitreppe errichtet worden, auf der
die Königin bequem zu dem hochgelegenen Eingang hätte aufsteigen
können. Die Stufen, die ihre Füße nie berührten, werden noch heute
von jährlich Tausenden Touristen abgeschritten.
An die Herrschaft Isabels erinnern einige Gebäude mehr: Auf ihre
Veranlassung hin wurden an den spanischen Küsten die zahlreichen
Leuchttürme errichtet, die die Seefahrer noch heute nutzen. Doch
nicht alle der ehemaligen Leuchtturmwärterhäuser sind gut erhalten.
Der „Faro de na Pòpia” auf Dragonera etwa verfällt zusehends. Auch
die Gedenktafel, die auf die Inbetriebnahme des Bauwerks im
Regierungsjahr 1852 erinnert, ist zerschlagen und nur noch zur
Hälfte erhalten.
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