Mallorca, 1. April. Sie stammen aus einer Zeit, in der die
Fotografien ausschließlich schwarz-weiß waren, mit Aufnahmen
gestochen scharf, wie sie heute kaum zu finden sind. Die Rede ist
von alten Postkarten, die eine deutsche Urlauberin vor genau 80
Jahren auf Mallorca nach Deutschland schrieb. Tourismus auf der
Insel, das gab es schon 1930, und Freud' und Leid unterschieden
sich schon damals kaum von heute, auch wenn manches sehr wohl
anders war als in der Gegenwart. Mit „Meine liebe Schwester” begann
jedes Schreiben an eine Frau Hildegard Becker in Brandenburg an der
Havel. Am 5. März 1930 wurde auf einer Ansichtskarte, die Palmas
Kastell von Bellver zeigt, berichtet:
Wir sind nach vielen Fährnissen, die ich Dir im Brief
erzählen muss, hierhergekommen, sind heute schon so braun gebrannt,
daß wir fast Sonnenbrand haben, es ist wunderschön hier, wir wollen
übermorgen nach Pollensa fahren, um dort nach Quartier zu fragen,
sonst bleiben wir im Terreno, es ist entzückend dort.
El Terreno, heute völlig verbaut und vom offenen Meer durch den
Paseo Marítimo und den Hafen abgeschnitten, war einst Palmas
Sommervillen- und Ausländerkolonie, mit vielen Pensionen und
kleinen Hotels, samt dem Badestrand in Can Bàrbara, wo sich heute
das In-Lokal Garito befindet.
Der Abstecher der deutschen Urlauberin nach Pollença fand
tatsächlich statt. Am 19. März, also gut zwei Wochen nach ihrer
Ankunft auf Mallorca, schrieb sie auf einer Karte mit dem Kloster
Lluc als Motiv:
Gestern sind wir von Pollensa auf schönen Wegen nach Gorch
Blau, einem schönen Felsental, gewandert, dann abends in dies
Kloster und zur Übernachtung – für umsonst – sowas gibts auch, und
wunderschön, heute geht's auf sehr schönen anderen Wegen zu Fuß
nach Pollensa zurück. Freitag fährt Fräul. Wäntig ab, ich werde
wohl noch bis Dienstag bleiben.
Die in Escorca, der Ortsgemeinde von Kloster Lluc abgestempelte
Postkarte belegt, dass Wandertourismus auf Mallorca seine Freunde
hatte, lange bevor Golfer und Radfahrer zu den hofierten Urlaubern
der balearischen Tourismusbehörden avancierten. Das Gorg-Blau-Tal
lässt sich indes nicht mehr durchwandern, eher durchschwimmen. Dort
wurde 1971 der Stausee errichtet. Dafür lässt es sich heute noch im
Kloster Lluc übernachten, auch wenn die Gratiszeiten längst vorbei
sind.
Zwei Tage nach ihrem Besuch dort schrieb die Urlauberin am 21.
März 1930 eine dritte, erhalten gebliebene Postkarte, die einen
alten Olivenbaum zeigt:
Wie wir gestern, Mittwoch, von unserem 2 tägigen Ausflug nach
Kloster Lluch zurückkamen, fand ich Deine Karte vor, herzlichen
Dank dafür, habe ich doch auch wenigstens 1 x Post erhalten, Fräul.
Wäntig hat schon 3 Briefe gehabt – ich war schon neidisch. Wir sind
von Barcelona bis Palma mit dem Küstendampfer „Mallorca” gefahren,
einem ganz neuen schönen, ziemlich großen Schiff. Auf der Karte ist
ein Olivenbaum, je älter sie werden, je verkrümmter u.
absonderlicher wachsen sie, manchmal sieht man so riesige Gärten –
mehrere Morgen groß, solcher Baumkrüppel, ordentlich ein
Kinderschreck. Viele herzliche Grüße sendet Deine
Schwester.
Wie jeder Urlaub ging auch dieser zu Ende. Was dann folgte,
waren Spanischer Bürgerkrieg, Zweiter Weltkrieg, Kalter Krieg, der
Fall des Eisernen Vorhangs, die Terroranschläge von New York...
Geblieben sind die Postkarten und die Olivenbäume.
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