Als wäre die Zeit stehen geblieben:
Kupferne Küchenkessel hängen über dem prasselnden Kaminfeuer mit
der gemütlichen Lehnbank, wuchtige überdimensionale Holzfässer
säumen den Gewölbekeller. An einem der Fässer gilben Hunderte alter
Fotos und Autogrammkarten langsam vor sich hin, zeugen von
unterhaltsamen Stunden der Vergangenheit. „Diese Bilder stammen
noch aus einer Zeit lange, lange vor uns“, erzählt Joan Gual –
dabei führt seine Familie schon seit 41 Jahren den Celler „Ca'n
Ripoll“. Aber was seien schon 41 Jahre bei einem Lokal in einem
Keller aus dem 17. Jahrhundert?
Der 71-Jährige hebt die karierte Tischdecke, klopft auf die
abgeschabte unlackierte Holzplatte, „das sind sogar noch die
original Tische von früher“. Wer im „Ca'n Ripoll“ essen geht, macht
eine Zeitreise in ein vergangenes Mallorca. Es werde erzählt, dass
es einst um die Hundert dieser „Cellers“ in Inca gegeben hätte,
berichtet Tochter Antonia Gual, die das Restaurant zusammen mit
ihren Brüdern Joan und Biel leitet. Heute sind es nur mehr fünf,
die erhalten sind und als gastronomischer Betrieb geführt werden:
Das „Ca'n Ripoll“, „Sa Travessa“, „Ca'n Amer“, „Ca'n Lau“ und „Can
Marron“.
„Die Cellers sind mittlerweile zum Kulturerbe Mallorcas ernannt
worden, aber ohne Subventionen ist es natürlich schwierig, diese
groß angelegten Lokale zu erhalten“, erzählt Antonio Gutierrez,
seit 25 Jahren führt der 57-Jährige das „Sa Travessa“. Einst wurde
in den Cellers Wein hergestellt und gelagert – noch heute können
Besucher teilweise die alten Pressen und Fermentierbecken
bestaunen. Dies ist auch der Grund dafür, dass sich alle Cellers
ein paar Meter unter der Erde befinden – so blieben die guten
Tropfen selbst im Sommer von Temperaturschwankungen verschont.
„Man kam hierher, um sich in einem Krug seinen Wein mit nach
Hause zu nehmen – und blieb dann oft noch auf eine kleine Merienda
(Brotzeit)“, erzählt Paco Matemalas, der ab 1. März das „Ca'n Lau“
nach einer kurzen Renovierungspause übernehmen wird. In diesem
Celler wurde noch bis in die 80er Jahre Wein verkauft, bis auf ein
paar Details ist recht wenig Ursprüngliches erhalten. Darunter aber
ist ein altes Foto, das die Brotzeiten zeigt, von denen Matemalas
spricht und aus denen sich mit den Jahren ein professioneller
Gastronomiebetrieb entwickelte. Das Umstellen von Weinproduktion
und Verkauf auf reine Verköstigung in den Cellers aber hatte
vornehmlich wirtschaftliche Gründe: Nach einer inselweiten
Reblausplage wurden in der Gemarkung von Inca, einst das
Hauptanbaugebiet von Wein auf der Insel, keine Rebstöcke mehr
kultiviert – die Betreiber der Cellers mussten sich umorientieren.
Erst seit rund zehn Jahren gibt es wieder Wein aus dieser Gegend
von der Bodega Son Bordills.
Seither werden in den Cellers traditionelle Speisen der
Inselküche serviert: Spanferkel, Frito mallorquín, Tumbet, Sopas
mallorquines, Schnecken, deftige Fleischgerichte... Insulaner wie
Touristen zieht es gleichermaßen hierher, „bei vielen Palmesanern
ist es sonntags immer noch Brauch, in die Cellers zu fahren“,
erzählt Antonio Gutierrez.
Bewusst keine deutsche oder englische Speisekarte trotz viel
internationalem Publikum gibt es im „Can Marron“. „So kommt man
mit den ausländischen Gästen ins Gespräch – und das ist gut so.
Schließlich wollen sie hier ja auch das echte Mallorca erleben.“
Traditionelle Gerichte und Moderne verbindet Tomeu Torrens im „Can
Amer“, das seit 44 Jahren von seiner Familie betrieben wird. Der
44-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Inselgerichte neu
zu interpretieren – derzeit stehen etwa Schweinefüße mit Foie,
Bratpfanne mit Pilzen und Kohl oder Ochsenbäckchen in Rotweinsauce
auf der Karte.
Die alten Fässer, die meisten davon sind im „Sa Travessa“ und
„Can Ripoll“ erhalten, erfüllen heute nur noch Dekozwecke. Nur in
Letzterem wird eines der Fässer noch zur Lagerung des Hausweines
genutzt. Wird er geordert, öffnet Antonia Gual ein Zapfhähnchen,
lässt den Wein in eine Tonkaraffe strömen. Ein Gag, der mit viel
Arbeitsaufwand verbunden ist: Denn so muss das alte Fass ab und an
von innen gereinigt werden. „Dazu muss ein Mann durch das kleine
Guckloch nach innen klettern“, erzählt Antonia lachend, „das ist
bei diesen über 300 Jahre alten Fässern die einzige
Möglichkeit.“
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