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Mallorca Magazin: "Gier" heißt Ihr neuer Film: Ist Gier grundsätzlich destruktiv?
Dieter Wedel: Es gibt ja auch eine berühmte Stelle in dem Film "Wallstreet", wo Michael Douglas sagt: "Die Gier ist etwas Positives. Die Gier hat Amerika vorangebracht." Das ist ein wörtliches Zitat aus der Rede eines Börsenspekulanten. Über diese Aussage kann man streiten, aber "Neu-Gier" etwa, eine vernünftige Neugier kann doch konstruktiv sein. Ich selbst bin ein sehr neugieriger Mensch, sonst würde ich mich nicht immer wieder zu neuen Stoffen inspirieren lassen.

MM: Ohne eine gewisse Gier kein Wirtschaftswachstum?
Wedel: Wenn eine Gesellschaft sich Wachstum wünscht, kann man doch nicht gleich behaupten, sie sei von der Gier infiziert. Es gibt ja auch Menschen, die meinen, es müsse doch Grenzen für das Wachstum geben. Aber es gibt noch sehr viele arme Länder auf der Welt, deren Lebensverhältnisse sich bessern werden, wenn der Wohlstand wächst. Auch die Weltbevölkerung nimmt zu. Also ist doch Wachstum nicht generell etwas Schlechtes. Wachstum schafft Arbeitsplätze. Schlimm wird es, wenn die Gier in Habgier umschlägt.

MM: Und ist das definierbar?
Wedel: Ein Beispiel, wo Gier in Habgier umgeschlagen ist, liegt doch hier direkt (Cala Llamp, Wedels Mallorca-Domizil, die Red.) vor unseren Augen. Ich habe damals laut gegen diese monströse Bebauung protestiert, obwohl ich gar nicht direkt betroffen war. Wie kann man diese Bucht mit so riesig-klotzigen Gebäuden auf diese Weise zubauen! Aber die Habgier hat sich als sehr gefährlich erwiesen, wie ich höre, sind ein Drittel der Wohnungen da unten noch immer nicht verkauft. Und die Zeiten, wo man für viel Geld auch eine Besenkammer auf Mallorca verscherbeln konnte, sind vorbei.

MM: Deshalb lautet der Arbeitstitel eines Ihrer nächsten Filmprojekte auch "Die letzten Tage von Mallorca"?
Wedel: Warten wir es doch erst mal ab. Ich finde, dass Mallorca eines der schönsten Fleckchen Erde ist, das ich in meinem Leben gesehen habe. Auch wenn Mallorca jetzt einen Einbruch erlebt, es wird nicht untergehen. Vielleicht hat die Wirtschaftskrise ja auch ihr Gutes: Sie hat dieses kleine Paradies Mallorca - zumindest vorerst - gerettet .

MM: Ist Ihr Filmprojekt damit obsolet geworden?
Wedel: Im Gegenteil, das ist doch eine spannende Geschichte! Dass eine weltumfassende Erschütterung auch ihr Gutes haben kann. Aber natürlich muss so ein Projekt finanziert werden, und die Wirtschaftsförderung, die wir in Deutschland bekommen, muss durch andere Finanzierungsmöglichkeiten ersetzt werden.

MM: War das auch bei "Gier" so?
Wedel: Ja, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen haben den Zweiteiler gefördert. Auch Südafrika hat sich beteiligt, wir haben ja eine Menge Geld da gelassen, mit dem größten Team, das ich jemals im Leben hatte. Wir haben an den schönsten Schauplätzen der Welt gedreht.

MM: Schöner als Mallorca?
Wedel: Jetzt will ich Ihnen was verraten: Es wird ja immer behauptet, Kapstadt sei eine der schönsten Städte der Welt. Das Umland von Kapstadt ist auch atemberaubend, trotzdem gefällt mir Palma besser.

MM: Einen Film "Die letzten Tage von Mallorca" wird es also definitiv nicht geben?
Wedel: Wie kommen Sie denn darauf? Er wird vielleicht anders heißen. Vielleicht nicht ganz so dramatisch, eher lustiger.

MM: Haben Sie das Thema "Gier" vielleicht auch mit diesem Film ausgeschöpft?
Wedel: Dieses riesige Thema kann man nie ganz ausschöpfen. ,,Gier" ist ein Thriller, der, wie ein Kritiker gerade schrieb, ,,Champagnerlaune" vermittelt. Ich kann mir über dieses Thema aber auch eine lustige Komödie vorstellen, wie die Gier nach immer mehr am Ende die Habgierigen auffrisst, so wie das hier vor uns in der Cala Llamp zu beobachten ist.

MM: Wird nicht jeder, der den Hals nicht vollkriegen kann, irgendwann Opfer der eigenen (Hab-)Gier?
Wedel: Ja, im Augenblick scheint das so. Wir alle möchten mehr, als wir bisher hatten. Ob man bei seiner Bank 5000 Euro anlegt oder 50.000 oder 50 Millionen, bei einem Hochstapler oder einem großmäuligen Vermögensverwalter, das Prinzip ist immer das gleiche: Der Berater tut so, als ob er in Ihrem Interesse handele, dabei will er nur Produkte der Bank verkaufen oder an ihnen kräftig mitverdienen. Die Hochstapler und Vermögensberater, die viele Menschen um ihr Geld gebracht haben, empfinden nicht das geringste Unrechtsbewusstsein. Einer hat mir gesagt: ,,Ich bin Opfer des unbegrenzten Vertrauens, das mir jedermann entgegenbringt." Er ist das Opfer, das muss man sich vorstellen! Einmal habe ich allerdings einen Bankberater weinen sehen, weil er auf Druck seiner Bank alten Leuten Papiere hatte verkaufen müssen gegen sein besseres Wissen, die jetzt ihre sämtlichen Rücklagen verloren hatten und verzweifelt waren.

MM: Sie haben während Ihrer Recherchen also erneut auch persönlich viel dazugelernt ...
Wedel: Leider. Während ich noch an den Büchern zu ,,Gier" schrieb, hat mir ein Freund einen Schweizer Vermögensverwalter empfohlen. Ich habe später erfahren, dass hinter meinem Rücken das Anlageprofil, das ein geringes Risiko vorsah, gefälscht worden ist. Außerdem soll ich Papiere unterschrieben haben, die ich nie zu Gesicht bekommen hatte. Die Schweizer Bank, die mit diesem Vermögensverwalter zusammenarbeitete, hat die Echtheit meiner Unterschrift bestätigt, ohne je eine Original-Unterschrift von mir vorher gesehen zu haben. Außerdem hat die Bank von sich aus Ort und Datum auf den Verträgen nachträglich eingefügt. Angeblich soll ich an einem Tag in Zürich und Hamburg gleichzeitig unterschrieben haben, einem Tag, an dem ich nachweislich auf Mallorca war. In 120 Tagen hat dieser Halunke ohne mein Wissen 188 Transaktionen durchgeführt, immer hat die Bank daran verdient und der Vermögensverwalter, dann war das gesamte Geld weg. In einem Gangsterfilm würde der Schweizer Bank die Rolle des Hehlers zufallen: Mitverdienen, aber von nichts wissen.

MM: Und was war Ihre anfängliche Absicht?
Wedel: Ich wollte nicht drei Prozent erwirtschaften wie bisher, sondern vier oder fünf Prozent: also Gier. Als dieser Vermögensverwalter, dem ich nur einmal begegnet bin, merkte, dass ich ihm misstraute, garantierte er mir schriftlich, alle Verluste über zwölf Prozent würde er mir ersetzen. Als das Geld dann weg war, hat er einfach erklärt, er habe selbst nichts mehr, hat sich aus der Schweiz abgesetzt und arbeitet jetzt als Finanzberater auf Mallorca.

MM: Und jetzt wollen Sie zurückschlagen?
Wedel: Ich will verhindern, dass noch mehr Menschen ihr Geld durch diesen unverantwortlichen Halunken verlieren. Inzwischen haben sich, weil ich in Deutschland auch den Namen dieser Schweizer Vermögensverwaltung genannt habe, andere geprellte Anleger bei mir gemeldet, manche sind völlig verängstigt, aber ich denke, ich kann sie überreden, dass wir gemeinsam gegen die Verursacher ihres Unglücks vorgehen.

MM: Gehen Sie davon aus, dass das Geld weg ist?
Wedel: Mal abwarten. Es wird auf jeden Fall einen Prozess gegen die Schweizer Bank geben. Um mich ruhigzustellen, hat der Vermögensverwalter mir inzwischen angeboten, den Prozess auf seine Kosten durchzuführen. Aber ich denke nicht daran, mit so einem Halunken gemeinsame Sache zu machen.

MM: Kommen wir zu einem anderen Thema: Jürgen Harksen, der Sie unter anderen zu Ihrem Film inspiriert hat, äußerte sich wiederholt skeptisch, ob seine Geschichte im Film richtig wiedergegeben wird. Wie stehen Sie dazu?
Wedel: Ich wollte nie das Leben von Herrn Harksen verfilmen. Ich habe mit ihm vertraglich vereinbart, dass ich einen Teil seiner Erlebnisse in meiner Hochstaplergeschichte verwenden darf. Ich lasse mich immer von der Wirklichkeit inspirieren, um vom Gefundenen zum Erfundenen zu kommen. Als fiktionaler Autor darf ich auch Vermutungen Raum geben.

MM: Die Fakten dürfen also manchmal zugunsten der Fiktion zurücktreten?
Wedel: Möglicherweise kommt die Fiktion der Wahrheit näher als eine platte Eins-zu-eins-Abbildung der Wirklichkeit.

MM: Sie befürchten also keine Reaktionen vonseiten Herrn Harksens?
Wedel: Nein, warum? Wir haben einen Vertrag. Harksen durfte seinerzeit vier oder fünf Tage das Gefängnis verlassen, um mir von seinen Erlebnissen zu erzählen. Ich konnte beobachten, was für ein geschickter Geschichtenerzähler er ist.

MM: Sind Sie das nicht auch?
Wedel: Zufällig heißt der Hochstapler in meinem Film mit Vornamen Dieter. Aber der Dieter Glanz von Ulrich Tukur ist charismatischer, größer, spannender als die Hochstapler und Vermögensverwalter, denen ich begegnet bin. Harksen ist es übrigens bei seinem Prozess gelungen, sich als eine Art Robin Hood darzustellen, der nur die Reichen beraubt hat. Das trifft leider nicht zu.

MM: Und das fließt nun alles in "Gier" ein - es geht Ihnen also auch um "kleine Leute"?
Wedel: Ja, es ist keine Geschichte, die nur Millionäre betrifft.

MM: Sind Sie mit Ihrem Film zufrieden?
Wedel: Ich finde, dass es ein amüsanter und spannender Krimi geworden ist. Auf jeden Fall spielt eine große Zahl der prominentesten deutschen Schauspieler mit und das an den schönsten Schauplätzen der Welt.

MM: Hat sich das Fernsehen in den letzten Jahren verändert?
Wedel: Manchmal hat man den Eindruck, es wird zu sehr auf die Verpackung geschaut und nicht mehr auf den Inhalt. Es geht nicht mehr um die Qualität eines Films, sondern nur noch um die Einschaltquote. In der Wirtschaft hat dieses Verhalten, wie wir inzwischen wissen, die Welt an den Rand des Abgrunds geführt.

MM: Viele Schaupieler wollen mit Ihnen arbeiten, scharen sich um den Regisseur wie eine Art ,,Guru". Besteht da nicht die Gefahr der Selbstüberschätzung?
Wedel: Ach was, ich habe da, glaube ich, eine sehr gesunde und ironische Distanz zu mir selbst. Auch meine Mittel sind begrenzt, ich kann aus einem Schauspieler nur herausholen, was Gott vorher hereingetan hat.

MM: Was denken Sie, was von Ihnen übrig bleibt?
Wedel: Mein Sohn Benny.

MM: Letzte Frage: Was wünschen Sie sich für den "Tag danach", wenn "Gier" im Fernsehen gelaufen ist?
Wedel: Wenn die Zuschauer sich gut unterhalten haben, wenn sie gelacht und vor Spannung den Atem angehalten haben, und wenn sie beim Ausschalten des Fernsehapparates noch daran denken, was sie eben gesehen haben und darüber reden, würde ich mich freuen. Noch mehr, wenn einige Menschen an den folgenden Tagen bei Empfehlungen ihres Bankberaters hellhörig werden, weil sie sich an ähnliche Sätze aus dem Film erinnern und sich dann sehr viel misstrauischer verhalten als bisher.

TV-TIPP
Arte zeigt den Wedel-Film "Gier" vorab am 15. Januar und sendet beide Teile hintereinander um 20.15 und 21.45 Uhr. Am 20. und 21. Januar, jeweils um 20.15 Uhr, läuft der Zweiteiler in der ARD. Wie üblich führte Dieter Wedel bei "Gier" nicht nur Regie, sondern schrieb auch das Drehbuch.

Die Besetzung ist gewohnt hochkarätig: u.a. mit Ulrich Tukur, Devid Striesow, Uwe Ochsenknecht, Heinz Hoenig, Harald Krassnitzer, Mariella Ahrens sowie als Gast Frank Elstner.