Die Sammlung zeitgenössischer Kunst der Stiftung La Caixa
besteht aus rund 800 Werken aus den vergangenen dreißig Jahren. Es
sind Künstler unterschiedlicher Herkunft und Generation. Als
Gesamtheit ist die Sammlung als Reflektion unserer Welt angelegt.
So sind Arbeiten verschiedener Stilrichtungen und Disziplinen
vorhanden: Minimalismus, arte povera, Expressionismus und – aus den
80er Jahren – Skulpturen.
Sehr oft wurden Werke aus den Anfängen des jeweiligen Künstlers
angekauft. Man will der Entwicklung der zeitgenössischen Ästhetik
folgen, um den Geist der Sammlung offen und innovativ zu
präsentieren.
Aus diesem Grund gibt die Colección de Arte Fundación La Caixa
einen Einblick in das zeitgenössische Kunstgeschehen. Die Sammlung
war – in Teilen – bereits in Peking, Warschau, Bukarest und
Lissabon zu sehen. Und natürlich in den verschiedenen
La-Caixa-Zentren in Barcelona, Madrid, Lleida, Tarragona und immer
wieder in Palma.
Die jetzige Ausstellung „Zonas de riesgo“ (Risikozonen) im La
Caixa Forum des Gran Hotels zeigt eine Auswahl von neuen Arbeiten
von elf, meist jungen, internationalen Künstlern. „Fast alle Werke
entstanden nach 2001, ein Jahr, das eine neue politische Ordnung in
der Welt nach sich zog. Das zeigt sich auch in der Kunst“, sagt die
Kuratorin Nimfa Bisbe. Im Bewusstsein öffentlicher Funktion gehört
es fast zu den Pflichten der Künstler, Verletzlichkeit, Angst,
Isolation, wirtschaftliche Unsicherheit und die Furcht vor
Globalisierung als Gleichmacherei und soziale Ungerechtigkeit durch
provokative und rebellische Kunst sichtbar zu machen. Dazu nutzen
Künstler heutzutage unterschiedliche Disziplinen wie Video,
Videoinstallation, Fotografie oder eine Kombination aus Fotografie
und Malerei.
Und sie stellen Fragen. Wie etwa Alicia Framis (Barcelona 1967).
Sie zeigt eine Rauminstallation mit dem Titel „Welcome to
Guantánamo Museum”. Kann man den Schrecken dieses Gefängnisses als
Museum für Betrachter sichtbar machen? Framis zeigt den
unterschiedlichen „Fortschritt“ beim Bau der Baracken, zeigt einen
elektrischen Stuhl, kleiner als ein Kinderspielzeug, zeigt, wie der
Mensch der Anonymität ausgeliefert ist. Besonders beeindruckend ist
die per Audiofon vermittelte Namensliste der Häftlinge, die so eine
Art von Identität erhalten.
Immigration und das damit verbundene Ausgeliefertsein an die
Fremde, an die (vielleicht falsche?) Hoffnung ist das Thema von
Adrian Paci (Albanien 1969). Er zeigt ein Video einer vollen
Gangway – ohne Flugzeug. Immer mehr Menschen wollen diese Treppe
besteigen, aber die Maschinen landen und starten ganz woanders. Von
den Wartenden nimmt keiner Kenntnis.
Die Kolumbianerin Doris Salcedo (1958) verfremdet ganz normale
Gegenstände des Alltags in etwas Verstörendes. Schränke sind
zugemauert, Tische werden zu Barrieren. Sie werden damit zu reinem
Material und zum Zeugnis eines Lebens in Armut, das kein Leben mehr
ist.
Die Arbeit „Turbulence“ von Shirin Neshat (Iran 1957) wurde 1999
auf der Biennale von Venedig prämiert. Zwei Videos zeigen je einen
Mann und eine Frau bei muslimischen liturgischen Gesängen. Die
Stimme des Mannes ist durchdringend und laut, er hat Publikum und
Anhänger. Die der Frau ist stumm, keiner hört sie, keiner sieht
sie, auch ihr Gesicht ist unsichtbar.
Skylines in Porzellan – gefertigt nach uralten Techniken – ist
eine Arbeit der Chinesin Liu Jianhua (1962). Shanghai, Peking,
Shenzhen Guangzhou – alles Millionenstädte, deren Profil sich in
nichts voneinander unterscheidet, als Endlosschleife.
Die Videoinstallation des Franzosen Stephen Dean (1968) lässt an
Elias Canettis „Masse und Macht“ denken. Ist es die rhythmische,
die stampfende oder die Fluchtmasse? Für Stephen Dean ist es ein
einziges farbiges, grafisches Gebilde, in ständiger Bewegung, in
großer Dichte. Es sind Menschen in einem Fußballstadion: Sie
singen, tanzen, schreien und entwickeln dabei eine eigene
Choreografie. Der Verlust der Individualität wird durch die Fahnen,
die den Blick verstellen, verstärkt.
Die Ausstellung im Gran Hotel ist verstörend. Und aufrüttelnd.
Wer sie sehen möchte, sollte sich Zeit nehmen. „Zonas de riesgo“ La
Caixa Forum, Gran Hotel, Palma, Plaça Weyler. Geöffnet bis 10.
Januar
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