Das Einzige, was Ralf Samel zu seinem Glück noch fehlte, als er
vor vier Jahren sein hübsches und (fast!) behindertengerechtes
Häuschen in Ariany bezog, war eine Rampe am Eingang für seinen
Rollstuhl. Als er im Rathaus dafür eine Genehmigung beantragen
wollte, sahen ihn die Beamten nur verdutzt an: "Sie brauchen keine
Genehmigung - Sie brauchen eine Rampe." Das ist es, was der
Deutsche, der seit einem schweren Motorradunfall 1996 im Rollstuhl
sitzt, so liebt an seinem Leben in der 800-Seelen-Gemeinde auf
Mallorca: "Diese Menschlichkeit." Deshalb sei er damals auch
ausgewandert: "In Deutschland fragen dich Jungs bis zehn Jahren und
Frauen ab 65, ob sie helfen können - der Rest guckt weg." Rund zehn
Prozent der spanischen Bevölkerung sind behindert, in Deutschland
ist ihr Anteil ähnlich groß - doch scheint diese "Minderheit"
hierzulande stärker integriert zu sein. Vielleicht liegt es ja auch
an der Omnipräsenz der Lotterie "Once", die sich für deren Belange
einsetzt: "Sie ist aus dem spanischen Alltag ja kaum wegzudenken",
hat auch Ralf Samel festgestellt.
Als er in Ariany einen Parkplatz brauchte für seinen Van mit
Laderampe, hatte er kurze Zeit später einen blau-weiß-umrahmten
Behinderten-Privatplatz - direkt vor der Haustür: "Nur weil größere
Lkw beim Einbiegen in die Straße deshalb Probleme hatten, musste er
noch mal umverlegt werden." Heute liegt Ralf Samels
Behindertenparkplatz wenige Meter von seinem Hauseingang direkt am
Dorfplatz. Die einzige Frage, die er beantworten musste: "Wie viel
Meter brauchst du?" Seit er vor elf Jahren von Hamburg nach
Mallorca zog, hat er festgestellt, dass "die Spanier im Alltag viel
entspannter mit Behinderten umgehen". Wenn er in Palma im Rollstuhl
an einer Bordsteinkante mal Probleme habe, "schiebt mich ein
Mallorquiner mit der freien Hand mal eben mit - in der anderen hat
er sein Handy und telefoniert dabei weiter". So einfach sei das
hier. Die Infrastruktur, vor allem der Personennahverkehr, liege
vielleicht teils noch unter deutschem Niveau, trotzdem: "Ich habe
hier so viele schöne persönliche Erlebnisse gehabt, das wiegt
manchen fehlenden Standard auf." Schließlich sei "behindert auch
nicht gleich behindert". Daher sei es immer schwierig, etwa Hotels
pauschal zu katalogisieren. Als ihn eine schwerbehinderte Freundin
bat, ihr ein geeignetes Hotel auf Mallorca zu suchen, habe er
gemerkt, dass er sich die Häuser selbst anschauen musste: "Für mich
persönlich reichen schon bestimmte Rampen und ein Bad, in dem ich
den Rollstuhl rangieren kann. Wer aber vom Hals abwärts gelähmt ist
und in einem Elektro-Rollstuhl sitzt, braucht ganz andere
Vorrichtungen." Deshalb begann Ralf Samel schon vor zehn Jahren
seine Homepage "www. mallorca-rollstuhl.de" einzurichten, als
"Hilfestellung für einen barrierefreien Urlaub": "Alle Hotels,
Fincas und sonstigen Ausflugstipps sind von mir persönlich
getestet." In der Rubrik "Mietwagen" werden Autos für Aktiv- und
Passivfahrer angeboten, wer sich "den gewöhnungsbedürftigen
Verkehr" auf der Insel nicht antun mag, kann einen barrierefreien
Van mit Fahrer für Inselrundfahrten mieten: "Das biete ich auch
persönlich an, weil ich mich hier inzwischen ganz gut auskenne."
Trotz noch bestehender Mankos wie im Personennahverkehr habe sich
in den letzten Jahren viel getan auf der Insel: "Man kommt mit dem
Rollstuhl fast überall nicht nur ans, sondern auch ins Meer." Auch
wenn von offizieller Seite erst 42 der 208 Strände Mallorcas
(www.plat gesdebalears.com) und damit 20 Prozent - 2002 waren es
noch fünf Prozent - als "behindertengerecht" ausgewiesen sind, gebe
es, so Ralf Samel, kaum noch einen größeren Strand, der nicht
zumindest eine hölzerne Rampe besitzt (Hinweis: Rollstuhl-Symbol).
Strände mit Komplett-Service, also inklusive Strandaufsicht, die
behinderten Menschen mit dem Amphibien-Rollstuhl ins Wasser hilft,
haben ein eigenes Piktogramm - "Rolli mit Sonnenschirm": "Der
Service der Baywatch ist kostenlos, eine vorherige Anmeldung nicht
nötig." Auch für den Verbands-chef des Behinderten-Dachverbandes
(UNAC), Juan Perera, stellt sich die Situation von Behinderten auf
den Balearen in vielerlei Beziehung besser dar als etwa in
Deutschland oder der Schweiz: "Wir kämpfen dafür, dass Behinderte
hier so weit wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen
können."
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