Mallorca – Ausgesetzte oder misshandelte Tiere, Hunde, die den
ganzen Tag ohne Wasser an der Kette liegen, verwahrloste Pferde in
alten Ställen oder neugeborene Kätzchen, um die sich niemand
kümmert: Der Tierschutz auf Mallorca hat besonders in den
Wintermonaten viel zu tun. Obwohl in den vergangenen Jahren viele
private Tierschutzeinrichtungen hinzugekommen sind, gibt es nach
wie vor jede Menge Elend auf diesem Gebiet.
Doch es bewegt sich auch etwas. Drohte die Situation für
herrenlose Hunde und Katzen in den Gemeinden Mallorcas noch vor
Kurzem zu eskalieren, sind Balearen-Regierung, Inselrat (Consell)
und die Stadt Palma jetzt zu einer Lösung gekommen, um die Lage
jedenfalls kurzfristig zu entschärfen. Ab 2010 wird der Consell die
Zuständigkeit für den Tierschutz von der Landesregierung
übernehmen. Statt wie zunächst angekündigt bis 1. Januar haben
Gemeinden über 15.000 Einwohnern nun bis Mitte nächsten Jahres
Zeit, um eine Lösung für die eigene Region zu finden. Bis dahin
können sie herrenlose oder ausgesetzte Tiere weiterhin im
städtischen Tierheim vom Palma, Son Reus, abgeben. Kleinere
Gemeinden können die Tiere erst dann dort loswerden, wenn sie nach
einer Woche keinen Besitzer ermitteln konnten.
Geplant war für diese neue Regelung eine Übergangszeit von nur
zwei Monaten. Doch nach massiven Protesten der Bürgermeister, die
keine Möglichkeit sahen, in so kurzer Zeit öffentliche
Einrichtungen zu gründen, wurde die Frist nun um sechs Monate
verlängert. Palmas Bürgermeisterin Aina Calvo ist übrigens an
dieser Lösung nicht beteiligt: Sie weigerte sich Ende November,
ihre Amtskollegen zu einem klärenden Gespräch zu empfangen. „Eine
endgültige Lösung ist dies nicht, denn Son Reus bleibt hoffnungslos
überfüllt“, erklärt Rafael Oliver, Projektleiter für Tierschutz
beim Inselrat. Deshalb habe man beim Inselrat jetzt mit der Suche
nach Grundstücken für weitere, Gemeinde übergreifende Tierheime
begonnen. „Wir prüfen auch die Möglichkeit, mit bereits bestehenden
„Perreas“ in verschiedenen Orten zu kooperieren.“ Diese könnten
dann vom Inselrat finanziell unterstützt und renoviert werden.
Jedes Jahr gelangen rund 6000 Hunde von der gesamten Insel nach
Son Reus bei Palma, ausgelegt ist das Auffanglager allerdings für
maximal 2500 Tiere. „Die Folge der Überfüllung sind viele kranke
und unterernährte Tiere. Die Situation ist bekanntlich dramatisch
und verlangt nach einer schnellen Lösung“, sagt auch Begoña
Sanchez, Sprecherin für Gesundheitswesen im Rathaus von Palma. Man
habe das Problem der Gemeinden lange vernachlässigt, doch die
grenzenlose Aufnahme von Tieren in Son Reus sei sicher keine
Lösung. „Deshalb müssen wir die übrigen Orte auf der Insel dazu
bringen, eigene Lösungen zu finden.“ Zurzeit gibt es in den
insgesamt 53 Gemeinden der Insel nur sieben kommunale Auffanglager.
Die übrigen Gemeinden haben ein Abkommen mit der Stiftung „Natura
Parc“, die streunende Tiere einsammelt und sie nach Son Reus
bringt.
Für viele Tierschützer sind die öffentlichen Einrichtungen ein
rotes Tuch. Besonders Son Reus ist dafür bekannt, dass die Hunde
und Katzen dort nach einer bestimmten Frist eingeschläfert werden.
Trotzdem, so räumt man selbst beim Dachverband der privaten
Tierschutzorganisationen Baldea (Plataforma Balear per a la Defensa
dels Animals) ein, haben die kommunalen Auffangstationen gar keine
andere Wahl. „Sie sind einfach hoffnungslos überfüllt“, sagt Petra
Steiner, Schatzmeisterin bei Baldea. Sie gehört zu den
ehrenamtlichen Mitarbeitern des Dachverbandes, die zusammen mit
einer Vorsitzenden, einer Sekretärin und einer Tierärztin und
weiteren Helfern die Verbandsarbeit für die Balearen koordiniert.
Aufklärung, politische Arbeit und aktiver Tierschutz gehören zu den
Aufgaben der Organisation, die 2005 entstand, um das Bewusstsein
der Bevölkerung auf den Balearen für die desolate Situation des
Tierschutzes zu schärfen.
Baldea vertritt heute acht Tierschutzvereine und kooperiert mit
allen anderen auf den Inseln. „Wir brauchen vor allem Spenden, um
den Tieren noch besser zu helfen“, sagt Petra Steiner. Aktuelle
Projekte wie eine mobile Tierambulanz, Aufklärungsarbeit an den
Schulen oder Informationsstände zu Weihnachten hingen direkt von
den Spendengeldern ab (Kontonummer: CAM, 2090 6427 41
0040160829).
Für die Aktion „Verschenkt Plüschtiere statt lebender Tiere“
wirbt Baldea vom 18. Dezember bis 5. Januar im Einkaufszentrum
Porto Pí. Am 12. und 13. Dezember unterstützt der Verband den
Verein „Sociedad Protectora de Animales y Plantas de Mallorca“ in
der Palma Arena. „Je mehr Menschen unsere Arbeit kennenlernen, umso
mehr können wir auch bei den Politikern und Gemeinden erreichen.”
Dass sich das allgemeine Bewusstsein in der Bevölkerung in den
vergangenen zehn Jahren enorm verändert habe, das kann Dr. Sofia
Kohmann bestätigen. Die Veterinärin von der Eurotierklinik in
Arenal arbeitet seit 13 Jahren auf der Insel. „Die Situation ist
zwar immer noch schlecht, aber die Menschen haben heute ein viel
besseres Verständnis für Tiere und Natur als zu der Zeit, in der
ich hier angefangen habe.“ Das liege vor allem an besserem
Unterricht und gezielter Aufklärungsarbeit an den Schulen und der
Schärfung des Bewusstseins für lebende Wesen. Allerdings sei seit
Ausbruch der Wirtschaftskrise die Zahl der ausgesetzten Tiere enorm
gestiegen. „Es vergeht kaum ein Tag, an dem uns nicht jemand einen
Hund oder eine Katze bringt, die am Wegesrand oder an der Autobahn
ausgesetzt wurde. Anhand der Chips versuchen wir dann, die Besitzer
zu ermitteln. Zwingen kann man sie allerdings nicht, die Tiere
zurückzunehmen. Wenn es uns dann nicht gelingt, sie privat zu
vermitteln, bleibt uns keine andere Wahl, als sie nach Son Reus zu
bringen.“
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