Mallorca Magazin: Glauben Sie an die Fähigkeit des Menschen zur
Selbstbeschränkung, Frau Ojeda?
Celia Ojeda: Ich möchte gerne daran glauben. Auch wenn es dafür in
der Geschichte nicht viele Beispiele gibt. Es bleibt uns aber
schlicht und einfach nichts anderes übrig, als endlich zu sagen: Es
reicht. Andernfalls werden wir irgendwann nur noch Quallen zum
Essen aus dem Meer fischen können. Dann gibt es nur noch Quallen
mit Kartoffeln.
MM: Warum ist der Rote Thunfisch so stark gefährdet?
Ojeda: Der Rote Thunfisch erzielt extrem hohe Preise. Ausgewachsene
Exemplare können Tausende Euros kosten. Vor allem in Japan, wo er
als Delikatesse gilt.
MM: Hat der Konsument die Macht, das Schicksal des Roten
Thunfischs zu ändern?
Ojeda: Ja, unbedingt. Der Konsument muss durch seine
Kaufentscheidung bestimmen, was in den Supermärkten und Restaurants
angeboten wird. Es reicht allerdings nicht, dass die Menschen in
Europa ihr Verhalten ändern. Vor allem in Japan muss es ein
Umdenken geben. Das wird vermutlich schwierig werden. Umso
dringender ist es, dass wir den Roten Thunfisch hier auf den
Balearen schützen.
MM: Nicht nur in Japan wird Sushi gegessen. Auch auf Mallorca
ist Roter Thunfisch schwer in Mode und steht mittlerweile bei
praktisch jedem Koch, der etwas auf sich hält, auf der
Speisekarte...
Ojeda: Ja. Allerdings gehen rund 90 Prozent des im Mittelmeer
gefangenen Roten Thunfischs nach Japan. Aber auch auf Mallorca
gilt: Die Leute sollten auf keinen Fall Roten Thunfisch essen.
Ebenso wenig wie sie Walfleisch essen würden. Roter Thunfisch
gehört auf keinen Teller.
MM: Welchen Fisch kann man denn auf Mallorca noch guten
Gewissens essen?
Ojeda: Warum wird nicht viel mehr Llampuga (Goldmakrele, Anm. d.
Red.) gegessen? Das ist ein lokaler Fisch, den es im Übermaß gibt.
So lässt sich obendrein auch noch die hiesige Wirtschaft
unterstützen.
MM: Fisch von hier kostet oft viel mehr als importierter.
Ojeda: Ja. Ich glaube aber, dass es viele Menschen gibt, die bereit
sind, ein bisschen mehr zu bezahlen, wenn sie so die Umwelt
schützen können. Wenn man verantwortlich handeln will, muss man
diese Entscheidung treffen.
MM: Wie kann der Konsument wissen, was auf den Teller darf
und was nicht?
Ojeda: Wir empfehlen den Leuten immer, sich zu informieren, ob der
Fisch aus der Region kommt. Genauso wie sich die Leute über die
Kathedrale informieren und wer sie gebaut hat, sollten sie sich
über die Traditionen der mallorquinischen Fischerei informieren. Im
Zweifelsfall sollte man den Händler fragen, woher der Fisch
kommt.
MM: Ist die Information über die Herkunft in Läden und auf
Märkten glaubwürdig?
Ojeda: Das sollte sie sein. Klar ist aber auch, dass es hin und
wieder falsche Informationen gibt. Sicher geht, wer direkt bei den
Fischern einkauft. Dort bekommt man Fisch, der auch hier gefangen
wurde. Und obendrein ist er dort frischer (siehe Kasten).
MM: Wie erkennt man Roten Thunfisch?
Ojeda: An der Farbe des Fleisches. Er sieht fast aus wie ein
Rindersteak. Außerdem am Preis. Roter Thunfisch ist viel teurer als
andere Sorten.
MM: Dosenthunfisch aus dem Supermarkt – erlaubt oder verboten?
Ojeda: Auch Dosenthunfisch ist problematisch. Das ist zwar kein
Roter Thunfisch, wenn die anderen Thunfisch-Arten aber im
derzeitigen Maß konsumiert werden, dann blüht ihnen ein ähnliches
Schicksal wie ihren Artgenossen.
MM: Wie groß ist die Gefahr, dass der Rote Thunfisch
ausstirbt?
Ojeda: Er kommt in zwei Gegenden vor: Im Golf von Mexiko und im
Mittelmeer. Dies sind seine weltweit einzigen Laichgebiete. Das
Problem ist das Mittelmeer, wo er zuletzt vor allem gefischt worden
ist. Die Situation ist katastrophal. Es gibt Schätzungen, nach
denen er im Mittelmeer bis 2012 ausgestorben sein wird, wenn wir
nicht jetzt etwas unternehmen. Legal können pro Jahr 13.500 Tonnen
Roter Thunfisch gefangen werden. Das ist viel zu viel. Unabhängige
Wissenschaftler fordern eine maximale Fangquote von pro Jahr 7500
Tonnen, damit sich die Population allmählich erholen kann.
MM: Aber sind denn nicht immer Spezies von unserem Planeten
verschwunden?
Ojeda: Der Thunfisch ist eines der größten Meeresraubtiere und
steht in der Nahrungskette weit oben. Wenn er verschwindet, nimmt
die Menge der Pflanzenfresser zu. Das würde dazu führen, dass mehr
Meerespflanzen gefressen werden. Das natürliche Gleichgewicht würde
zerstört werden. Welche Folgen das haben kann, ist ungewiss.
MM: Die balearische Regional-Regierung unterstützt Ihre
Forderung?
Ojeda: Ja. Das Umweltministerium hat die Zentralregierung in Madrid
zuletzt ausdrücklich aufgefordert, das Meeresreservat einzurichten.
Das ist aber bisher nicht geschehen.
MM: Was ist der Grund für die Ablehnung?
Ojeda: Es heißt, es gebe bereits genug Schutzgebiete im Mittelmeer.
Dabei ist gerade einmal ein Prozent geschützt. Außerdem wird immer
wieder argumentiert, es stünden viele Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Das stimmt aber gar nicht. Auf Mallorca wären die Fischer überhaupt
nicht betroffen, da hier kein Thunfisch gefangen wird. Am
Thunfischfang im Mittelmeer bereichern sich nur zwei große
Firmen.
MM: Mallorquinische Fischer fangen keinen Thunfisch?
Ojeda: Nein. Das soll nicht heißen, dass nicht zwischendurch einmal
einer im Netz landet. Es gibt hier aber keine Fischer, die Jagd auf
Thunfische machen.
MM: Wer ist also Schuld am Aussterben des Thunfischs?
Ojeda: Die großen Fischereiunternehmen, die speziell Roten
Thunfisch fangen, um ihn anschließend in schwimmenden Käfigen zu
mästen. Damit ein Thunfisch dort um ein Kilo an Gewicht zulegt,
muss er mit zehn Kilo Frischfisch gefüttert werden.
MM: Im geforderten Meeresschutzgebiet südlich der Balearen wäre
das Fangen von Rotem Thunfisch komplett verboten?
Ojeda: Ja. Das würde nach und nach zur Zunahme der Population in
dem Reservat und anschließend zur Erholung der Bestände führen.
MM: Wann wird das Schutzgebiet Realität?
Ojeda: Das kann ich nicht sagen. Das hängt allein vom politischen
Willen der Zentralregierung in Madrid ab.
Fragen:
Jonas Martiny
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