Es ist eine ungewöhnlich laue Novembernacht, aber das ist nicht
der Grund für den Massenauflauf am Paseo Marítimo. Um ein Uhr
morgens läuft die "Party", die hier jedes Wochenende stattfindet,
gerade erst so richtig an. Gruppen von Jugendlichen, viele von
ihnen minderjährig, richten sich für ein mehrstündiges Saufgelage
ein. Plastiktüten und Becher werden ausgepackt, zum Vorschein
kommen Literflaschen Softdrinks, die mit Gin, Whiskey oder Rum
gemixt werden. Einige haben Musik dabei, es wird gelacht, geredet,
geflirtet, einige tanzen vor der Kulisse von Palmas Hafen.
"Botellón" heißt dieses typisch spanische Phänomen, bei dem sich
Jugendliche auf der Straße zum Feiern und Trinken treffen. Rund
3000 Menschen sind es laut Rathaus allein in Palma, aus allen
sozialen Schichten. Und die Altersgrenze sinkt ständig. Schon 13-
und 14-Jährige werden laut Gesundheitsministerium mit schweren
Alkoholvergiftungen in Krankenhäuser eingeliefert, mit Mitte 20
seien viele bereits Alkoholiker.
"Saufen bis zur Besinnungslosigkeit" haben beim "Botellón"
allerdings nicht alle im Sinn, denn längst ist der Treff zu einem
sozialen Ritual geworden. Wer am Wochenende abends nichts
Besonderes vorhat, der muss nie alleine zu Hause hocken. "Wir
treffen uns hier mit Freunden, reden, trinken, haben Spaß. Niemand
von uns hat Platz, alle zu sich nach Hause einzuladen", erklärt
Álvaro. Er ist 17, keiner in seiner Gruppe ist über 18, und er hat
ein Bier in der Hand. Seine Eltern, meint er, wüssten, dass er
irgendwo hier am Paseo Marítimo ist. "Ich muss um drei Uhr zu Hause
sein, fahre mit dem Mofa, da kann ich gar nicht mehr trinken als
ein Bier."
Andere sehen das lockerer. Sein Freund Diego hält einen
Plastikbecher in der Hand, gießt sich gerade Bacardi in seine Cola.
"Hombre, so ein, zwei Copas, das ist doch nicht schlimm am
Wochenende", grinst er. Und so sei ein lustiger Abend wenigstens
bezahlbar.
Langsam füllt sich die Meile am Hafen immer mehr, der
Geräuschpegel wird lauter, die ersten leeren Becher, Flaschen und
Tüten landen auf dem Gehweg. Die Stimmung wird immer ungehemmter,
viele trinken mehr als sie vertragen, es wird geraucht und gekifft,
als ob man von Polizeikontrollen noch nie etwas gehört hätte. In
den frühen Morgenstunden wird es hier aussehen wie auf einem
Schlachtfeld, bevor die Müllabfuhr den Gehweg wieder passierbar
macht für die ersten Jogger und Spaziergänger.
Doch der unkontrollierte Alkoholkonsum von Jugendlichen wird zum
immer größeren Problem. Sowohl Anwohner als auch der Verband der
Geschäftsleute und Nachtclubbetreiber am Paseo Marítimo versuchen
seit Jahren, das Massenbesäufnis mit nach sich ziehenden Müllbergen
verbieten zu lassen. "Nach zehn Jahren Protest und drei
verschiedenen Bürgermeistern haben wir noch nichts erreicht", sagt
Manuel Jiménez, Vorsitzender des Verbandes Acoipam (Asociación de
Comerciantes e Industriales del Paseo Marítimo). "Wenn die Stadt
nicht bis Januar den Botellón hier verbietet, werden wir auf die
Straße gehen und demonstrieren." Es gehe nicht nur um die
gesundheitlichen Gefahren für die Jugendlichen, sondern auch um das
Gesicht der Stadt, wenn Hotel- und Barbesucher oder Kreuzfahrtgäste
morgens an der Promenade durch Berge von Müll stapfen müssten.
Dem Botellón mit einem Aktionsplan den Krieg zu erklären,
beschloss die Stadt Palma bereits im vergangenen Jahr.
"BotellON/BotellOFF" heißt das Projekt, das im Sommer 2008
startete. "Zum einen sollen die Jugendlichen besser über die
Gefahren des Alkohols aufgeklärt werden, zum anderen soll der
"Botellón" an verschiedenen Punkten der Stadt verboten werden",
erklärt Irene López, Pressesprecherin im Rathaus von Palma. In
anderen Gemeinden wie Manacor, Alcúdia oder Campos gibt es solche
Verordnungen bereits.
Die Saufgelage sind nicht nur am Paseo Marítimo vielen ein Dorn
im Auge. Seit Jahren kämpfen Polizei und Politiker vergeblich
darum, massive Beschwerden von Anwohnern zu regeln, in deren
Wohnstraßen jedes Wochenende laute Gruppen von Jugendlichen die
Nachtruhe stören. "Wir bereiten zurzeit eine Gesetzesgrundlage vor,
die es künftig verbietet, in Wohngegenden nachts auf der Straße zu
trinken und Lärm zu machen".
Ob die Hafenmeile dazu gehören wird, könne man noch nicht sagen.
Hier sei aber zumindest die Uhrzeit der Müllabfuhr schon mal um
zwei Stunden vorverlegt worden. "Wenn die Wagen dort aufräumen,
wird es ungemütlich, und die Leute verziehen sich."
Zum Thema Aufklärung seien schon erste Kampagnen gelaufen. "Wir
haben Gruppen von Freiwilligen losgeschickt, vornehmlich an den
Paseo Marítimo und im Gewerbegebiet Son Castelló, um nachts direkt
mit den Betroffenen zu reden", erklärt Irene Lopez den Plan. "Sie
haben mit den Leuten geredet, vor allem über Abhängigkeit und
Gefahren wie ungeschützten Geschlechtsverkehr im betrunkenen
Zustand." Die hohe Zahl der ungewollten Schwangerschaften bei
Minderjährigen hänge fast immer mit Alkohol zusammen.
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