Am frühen Morgen des 24. Februar 1937, exakt um 6.30 Uhr,
krachte die Salve. Die Kugeln des Hinrichtungspelotons an der
Friedhofsmauer von Palma löschten das Leben von vier prominenten
Männern aus. Einer von ihnen war zu dem Zeitpunkt schon so krank
und schwach, dass ihn die Gewehrkugeln nicht stehend antrafen. Die
Schergen des Tötungskommandos mussten dem Mann extra einen Stuhl
unterschieben, damit der Verurteilte halbwegs aufrecht dem
Mündungsfeuer präsentiert werden konnte. Unter dem Beifall von
angeblich bis zu 2000 Zuschauern starb auf diese Weise Emili
Darder, Palmas letzter republikanischer Oberbürgermeister,
exekutiert von einem Trupp Franquisten.
Mit dem ehemaligen Stadtoberhaupt wurden an jenem kalten Morgen
getötet: Alexandre Jaume, Mallorcas großer Linksintellektueller,
Antoni Mateu, der republikanische Bürgermeister von Inca, und
Antoni Maria Ques, einer der Mitbegründer der Linksrepublikanischen
Partei der Balearen.
Das Schicksal dieser führenden Politiker der Spanischen Republik
auf Mallorca (1931-1936) ist schon mehrfach beschrieben und
publiziert worden. Doch jetzt sind im traditionsreichen Moll
Verlag, gegründet 1934, erstmals die Prozessakten veröffentlicht
worden. Denn anders als viele Opfer der Bürgerkrieges auf der Insel
wurden die vier Repräsentanten des demokratischen Systems nicht bei
Nacht und Nebel erschossen und in irgendeinem Straßengraben
zurückgelassen; vielmehr machten ihnen die neuen Machthaber, die
Militärs und Getreuen des Diktators Franco, einen scheinbar
regelgetreuen Justizprozess, an dessen Ende vier Todesurteile
standen.
Jahrzehntelang lagen die Prozessakten des damaligen
Militärgerichts unter Verschluss, bis ein Richter dem Forscher
Josep Ramon Femenias die Erlaubnis erteilte, das papierene Konvolut
abzufotografieren. Femenias übergab das Fotomaterial seinem Freund,
einem der Inhaber des Moll-Verlages, und dieser wiederum
beauftragte seinen Bruder, Josep "Pep" Moll Marquès, die Aufnahmen
zu sichten.
Pep Moll war nicht nur ein eingefleischter Publizist, sondern
auch zwei Jahrzehnte lang freier Mitarbeiter des Mallorca Magazins.
Der ehemalige PSOE-Bürgermeisterkandidat für Palma, der 2007 völlig
unerwartet starb, ist MM-Lesern bekannt als Autor des Buches "So
sind wir Mallorquiner". Auch seine Artikelserien über Mallorcas
Dörfer und über historische Persönlichkeiten der Insel bedeuteten
für MM stets einen kulturellen Mehrwert.
Acht Aktenordner mit über 700 abfotografierten Dokumenten, oft
engbeschriebenen Prozessseiten vergilbten Papiers, wurden von Pep
Moll in zwei Jahren Arbeit maschinell erfasst. Als der Tod
zuschlug, war die Arbeit bereits getan; im Computer Molls stieß die
Familie nicht nur auf die komplette Übertragung und Kommentierung
des Politprozesses, sondern auch auf ein druckfertiges Vorwort.
"Chronik einer Infamie" hatte Moll getitelt.
Denn erstmals lassen sich auf diese Weise Details des Prozesses
nachlesen. Die Schriftstücke auf Spanisch sprechen für sich und
zeigen auf, wie die Militärrichter und Ankläger aus absurdesten
Verleumdungen und Anschuldigungen versuchten, Bürgermeister Darder
die Vorbereitung und Durchführung eines Staatsstreichs anzulasten.
Ziel sei die Errichtung einer Sowjet-Diktatur nach russischem
Vorbild gewesen, um die Balearen vom spanischen Mutterland
abzuspalten. Nur die Erhebung des spanischen Militärs zur
vermeintlichen Rettung des Vaterlandes habe den Linksputsch gerade
noch verhindern können.
Die Lektüre belegt unzweideutig: Das Verfahren war eine
Konstruktion, die Urteile standen im Vorfeld fest, Ziel der neuen
Machthaber war es, an den Exponenten der Republik ein Exempel zu
statuieren, das ihre Gefolgsleute in Todesangst erstarren ließ und
dadurch unschädlich machte.
"Was mir naheging, sind die negativen menschlichen Emotionen",
sagt Susanne Moll, Tochter von Pep Moll und Produktionsdirektorin
des Familienverlages. Denn das zusammengeschusterte
Belastungsmaterial stammte von sogenannten Zeugen, die aus freien
Stücken mit der Gewaltjustiz zusammenarbeiteten, weil sie sich
davon Vorteile erhofften. Neid, Missgunst, Habsucht und
Vorteilsnahme waren die Triebfedern ihres Handelns, zum Teil sogar
unter nahen Angehörigen.
Susanne Moll hält es für wichtig, die Vergangenheit mit der
Publikation zu dokumentieren. "Wir haben eine Verpflichtung den
häufig auch namenlosen Opfern gegenüber. Würden wir schweigen,
würden wir sie ein zweites Mal in die Dunkelheit hineinstoßen."
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