Gefühlschaos. Mit diesem Wort
beschreibt Christiane Kirchhof-Silfang den Zustand, in dem sie sich
nun seit 13 Jahren befindet. Seit dem 25. November 1996 fehlt jede
Spur von ihrem Mann, Bernd Silfang. Seine Frau weiß seit jenem Tag
nicht, was sie fühlen soll. Niemand kann mit Gewissheit sagen, ob
der Unternehmer Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, oder ob er aus
irgendeinem Grund untertauchte.
„Man kann nie richtig abschließen”, sagt seine Frau, die
weiterhin auf Mallorca lebt. „Ich kann nicht um seinen Tod trauern.
Denn wenn er mich hat sitzen lassen, müsste ich ja wütend
sein.”
Was an jenem Tag vor 13 Jahren geschah, ist unklar. Gesehen
wurde Silfang zuletzt in einem Lokal am Hafen von Andratx. Mit
einem unbekannten Paar. Er soll in deren Auto gestiegen sein – und
tauchte nie wieder auf.
Einiges deutet also auf ein Gewaltverbrechen hin, auch die
deutsche Polizei hat schon ermittelt und Zeugen aus Andratx
befragt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er untergetaucht
ist”, sagt seine Frau, die ihre Augen hinter dunklen Brillengläsern
verbirgt. „Zwei Tage nach seinem Verschwinden wäre eine hohe
Anzahlung für ein Bauvorhaben gekommen. Die hätte er dann doch wohl
mitgenommen, oder nicht?”
Beweise gibt es jedoch für keine der möglichen Erklärungen.
Niemand kann mit Sicherheit sagen, dass Bernd Silfang nicht doch
noch am Leben ist. Dieser Rest Zweifel ist es, der die Angehörigen
nicht zur Ruhe kommen lässt. „Ich weiß gar nicht, wie ich reagieren
würde, wenn er plötzlich vor der Tür steht”, sagt seine Frau: „Mit
diesem ständigen Hin und Her kann ich nicht mehr leben.” Deshalb
hat sie sich zu einem folgenschweren Schritt entschlossen: Sie will
ihren Mann für tot erklären lassen. Einen entsprechenden Antrag hat
sie in Deutschland gestellt und nun kürzlich auch in Spanien. „Ich
will jetzt nach 13 Jahren endlich einen sauberen Schnitt”, sagt
sie.
Denn nicht nur emotional ist die Situation belastend. „Unser
Haus gehört uns beiden gemeinsam”, sagt Kirchhof-Silfang. „Ich kann
es also nicht verkaufen.” Dafür fehlt ihr die Unterschrift ihres
Mannes. Die Hypothek muss sie nun alleine bezahlen. Auch die
Lebensversicherung ihres Mannes wird nicht ausgezahlt, solange
dieser lediglich als vermisst gilt. Und wenn die gemeinsame Tochter
beim Konsulat einen neuen Reisepass beantragt, dann bekommt sie zu
hören, sie müsse noch die Unterschrift ihres Vaters vorlegen.
Jemanden für tot erklären zu lassen, ein sogenanntes
„Todesfeststellungsverfahren”, erfordert jedoch Geduld. Besonders,
wenn es plötzlich eine neue Sachlage gibt. Und das ist seit dem 8.
Mai 2007 der Fall.
Damals entdeckten Kinder am Strand von Peguera menschliche
Knochen, die metertief im Sand vergraben waren. „Als ich das in der
Zeitung las, dachte ich sofort: Das ist er”, sagt Kirchhof-Silfang.
Also wandte sie sich an die Polizei, die darauf DNA-Proben von ihr
und der 16-jährigen Tochter nahm, um sie mit den Gendaten des
Knochenfundes zu vergleichen. Seitdem warten die Angehörigen nun
auf Nachricht von der Guardia Civil. „Im Krimi ist sowas immer in
einer halben Stunde erledigt”, sagt Kirchhof-Silfang. Im realen
Leben geht es nicht so schnell.
Die Begründung der Guardia Civil ist allerdings überraschend.
Die Knochen, die in Peguera gefunden wurden, hätten schon viel
länger als 13 Jahre dort gelegen, sagt ein Polizeisprecher. Ein
Zusammenhang mit dem Verschwinden von Bernd Silfang sei
ausgeschlossen. Möglicherweise handele es sich um Überreste aus dem
Bürgerkrieg. Damals habe es an dem Strand Erschießungen gegeben. Ob
überhaupt ein DNA-Abgleich durchgeführt wurde, konnte der
Polizeisprecher auf MM-Anfrage nicht sagen. Warum die Angehörigen
nicht über die Neuigkeiten informiert wurden, sei ebenfalls unklar.
Gewissheit gibt es also auch nach 13 Jahren nicht im Fall Bernd
Silfang.
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