Es gab einmal einen Begriff, der
früher in der Berichterstattung über deutsche Politik häufig fiel:
„Toskana-Fraktion”. Das ist lange her und bezeichnete Politiker von
SPD und Grünen, die gerne ihren Urlaub in der italienischen Toskana
verbringen. Dabei dürfte eine andere Urlaubsregion eine wesentlich
größere Bedeutung für die deutsche Politik haben: Mallorca. Denn
hier trifft man nicht nur SPDler und Grüne, sondern Vertreter aller
Parteien. Schon 2004 führte das Mallorca Magazin daher den
Begriff „Mallorca-Koalition” in der Berichterstattung ein.
Ferienvorlieben wechseln – ebenso die Gesichter in der Politik.
Die bevorstehende Bundestagswahl am 27. September bietet Anlass
genug für eine Bestandsaufnahme.
Schnell wird klar: Mallorca war und ist für deutsche
Spitzenpolitiker wichtig. Das ergab eine aktuelle MM-Untersuchung,
bei der etwa ein Drittel aller angefragten und derzeit wichtigen
deutschen Politiker mitmachte (siehe folgende Seiten sowie auch die
kommende MM-Ausgabe 39). Schlussfolgerung: Deutsche Volksvertreter
horchen auf, wenn das Stichwort „Mallorca” fällt. Das ergibt sich
aus der hohen Antwort-Quote. Denn gerade jetzt in Wahlkampfzeiten
landen besonders viele Anfragen auf den Schreibtischen der
Politiker oder bei deren Mitarbeitern. Längst nicht alles wird
beantwortet.
Dass das bei der Frage nach Mallorca anders zu sein scheint, ist
nachvollziehbar: Die Politiker wissen, dass Mallorca der Deutschen
liebste Insel ist – also der Hotspot ihrer Wähler. Hinzu kommt:
MM-Recherchen zufolge war rund die Hälfte aller Politiker sogar
schon einmal selbst auf Mallorca – jeder Zweite! Und man kann auch
weiter von der „Mallorca-Koalition” sprechen. Denn Inselliebhaber
finden sich auch heute noch quer durch die Parteien. Wer weiß,
welche wichtigen politischen Vorhaben schon in einer kleinen Bodega
beim mallorquinischen Rotwein auf den Weg gebracht wurden.
Egal, welcher der Spitzenkandidaten sich am 27. September als
Wahlsieger (oder eigentlicher Gewinner) fühlt: Mallorca-Erfahrungen
haben sie alle gemacht. SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier
erzählte vor zwei Wochen in einem MM-Exklusiv-Interview von seinem
Urlaub in Andratx. FDP-Chef Guido Westerwelle wird seit Jahren
nicht müde, Mallorca als seine Lieblingsinsel zu bezeichnen, früher
fand man sogar auf der Homepage des Liberalen ein Foto, das ihn vor
der Kathedrale zeigte.
Der Vorreiter der Linkspartei, Oskar Lafontaine, genießt immer
wieder gerne die Ruhe beim Finca-Urlaub im Norden. Der Grüne Jürgen
Trittin kennt die Insel ebenfalls. In einem Gespräch mit MM
konnte der Umweltpolitiker sogar einmal genau schildern, wie man
auf dem Landweg nach Mallorca reist.
Eine Ausnahme macht bislang nur die deutsche Bundeskanzlerin:
Angela Merkel hat noch nie auf Mallorca übernachtet. Sie war bisher
lediglich dienstlich in Palma. Am 31. Januar 2008 führte sie die
deutsche Delegation bei den deutsch-spanischen
Regierungskonsultationen an.
Sie kam morgens, konferierte unter anderem mit dem spanischen
Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero und flog abends
wieder ab. Bei Merkel ist es ähnlich wie bei ihrem Vorvorgänger.
Helmut Kohl nahm 1995 an einem kurzen EU-Gipfel im Hotel Formentor
teil. Für private Stunden entdeckte der Altkanzler die Insel aber
erst nach Ende seiner Amtszeit.
Gerhard Schröder dagegen war schon ein bekennender Mallorca-Fan,
bevor er Kanzler wurde. Während seiner Amtszeit verlor Mallorca
aber offenbar seine Gunst. Im Sommer 2000 zumindest war er ziemlich
genervt vom ganzen Rummel um seine Person und kam fortan nicht
wieder. Auf jeden Fall wurde seither kein weiterer Urlaub
bekannt.
Was aber eigentlich nichts heißen muss. Denn: Viele Politiker
schätzen an der Insel gerade, dass man hier nicht unbedingt
auffällt und gesehen wird.
Und daher kann eine Liste der aktuell wichtigen Politiker, die
Mallorca mögen, auch nicht vollständig sein. Dazu gehören neben den
bereits erwähnten Personen auf jeden Fall Berlins Bürgermeister
Klaus Wowereit, Finanzminister Peer Steinbrück, Umweltminister
Sigmar Gabriel, Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther
Oettinger, Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, der
brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck,
CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach, Hessens Ministerpräsident
Roland Koch, Verteidigungsminister Franz Josef Jung,
Arbeitsminister Olaf Scholz, Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen,
oder der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff – aber
auch Bodo Ramelow, der gerade bei der Wahl in Thüringen für den
Paukenschlag der Linkspartei gesorgt hat und ein bekennender
Mallorca-Fan ist.
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