TW
0

Was hat Palma de Mallorca mit Wellington, Auckland, Christchurch und Tauranga in Neuseeland gemeinsam? Seit zwei Wochen gibt es auch hier eine Straße, die den Namen „Jean Batten” trägt. Bürgermeisterin Aina Calvo persönlich enthüllte die Marmortafel, auf der nun der neue Name der bis dato „Mirador de Bahía” genannten Straße (im Palmas Stadtteil Bonanova gelegen) prangt.

Jean wer? Hierzulande kennt kaum jemand die neuseeländische Flug-Pionierin und Nationalheldin, die unter anderem auch Namensgeberin des internationalen Flughafens von Auckland ist, der größten Stadt Neuseelands.

Doch auch in Palma hinterließ Jean Batten Spuren. Die glamouröse Fliegerin, die in den 1930er Jahren als „Garbo der Lüfte” bezeichnet wurde und zu den weltweit bekanntesten Frauen ihrer Zeit zählte, verbrachte ihren Lebensabend auf Mallorca. Ähnlich wie das Hollywood-Filmidol Greta Garbo lebte Jean Batten derart zurückgezogen, dass ihr Ableben 1982 erst nach fünf Jahren bekannt wurde. Ihre letzte Ruhe fand die Fliegerlegende auf dem Friedhof in Palma.

Jean Gardner Batten erblickte 1909 im neuseeländischen Rotorua das Licht der Welt. Biographen berichten, dass ihre Mutter Ellen einen Zeitungsausschnitt neben die Wiege des Säuglings heftete. Der Artikel enthielt einen Bericht über den französischen Piloten Louis Blériot. Dieser hatte wenige Wochen zuvor als erster Mensch den Ärmelkanal überflogen.

Ellen Batten war das, was man heute eine kompromisslose Feministin nennen würde. Sie stand den Suffragetten nahe, jenen radikalen Frauenrechtlerinnen in Großbritannien und USA, die sich vor dem Ersten Weltkrieg für das Frauenwahlrecht starkmachten. Ellen trennte sich von ihrem untreuen Ehemann und den Söhnen. Mit ihrer Teenager-Tochter zog sie nach London. Schon vorher hatte sich Jean Batten gegen den Willen ihres Vaters dem Ziel verschrieben, Pilotin zu werden. Ein für die damalige Zeit unerhörter Berufswunsch, da in den Pioniertagen der Luftfahrt die Fliegerei als ausgemachte Männersache für wahre Teufelskerle galt. Möglich, dass Ellen Batten ihre Tochter gerade aus diesem Grund bestärkte, den Himmel zu erobern.

In London, dem damals führenden Aviationszentrum der Welt, nahm Jean Batten in einem Fliegerklub Unterricht und absolvierte Ende 1931, mit 22 Jahren, den Pilotenschein.

Die Männerwelt lag der jungen Frau regelrecht zu Füßen. Die Pilotin beherrschte neben der Fliegerei auch die Kunst der Verführung. Sie brach viele Herzen, denn am Ende heiratete sie keinen einzigen ihrer Verehrer.

Jean Batten stand der Sinn vor allem danach, als Langstreckenfliegerin Weltrekorde aufzustellen. Für die damalige Zeit gelangen ihr schier unglaubliche Tollkühnheiten: Mit einem Doppeldecker vom Typ „Gipsy Moth” („Zigeuner-Motte”) flog sie 1934 von England aus alleine nach Australien. 14 Tage, 22 Stunden und 30 Minuten benötigte sie für den Flug um die halbe Welt. Es folgte, stets im Alleinflug, ein Rekord nach dem anderen: 1935 Australien-England in 17 Tagen, 15 Stunden. 1935, mit einer „Percival Gull”, England-Brasilien in 61 Stunden, 15 Minuten. 1936 England-Neuseeland in elf Tagen, 45 Minuten. 1937 Australien-England in fünf Tagen, 18 Stunden, 15 Minuten.

Am Ziel entstieg Jean Batten ihren Maschinen stets geschminkt und in einer tadellos weißen Fliegermontur. Wo sie hinkam, wurde sie mit Ehren überhäuft. Ihre Anwesenheit führte zu chaotischen Zusammenläufen. In Auckland löste ihre Ankunft 1936 einen Verkehrsstau von 20 Kilometer Länge aus. Der örtliche Maori-Häuptling verlieh ihr den Titel „Tochter des Himmels”.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bedeutete das Ende für ihre Zeit als Fliegerass. Zwar wurde sie zum Ehrenmitglied der Royal Air Force ernannt, und sie sammelte bei Propaganda-Auftritten Spenden für die kämpfende Truppe, doch zum Einsatz kam die Pilotin nach Angaben der ihr gewidmeten Internetseite nzedge.com kurioserweise nicht. Möglich, dass dies an einem Augenfehler Battens lag, möglich aber auch, dass der unzähmbare Flugdrachen sich nicht in Teams einbinden ließ.

Nach dem Krieg wurde es ruhiger um Jean Batten. Mit ihrer Mutter lebte sie eine Zeit lang auf Jamaica, in England und auf den Kanaren. Dort starb Ellen Batten 1965. Zwei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter zog Jean Batten nach Mallorca. Sie mietete sich in einem großen Wohnblock in Porto Pi ein. Wie schon auf den Kanaren vereinsamte die nunmehr alleinlebende Frau zusehends. Es war offenbar ein bewusster Schritt in die Zurückgezogenheit, und er wurde von ihren Angehörigen und Bekannten weitgehend respektiert. Jean Batten bestand darauf, in Ruhe gelassen zu werden.

1977 kehrte sie noch einmal nach Neuseeland zurück, als Ehrengast, als das dortige Luftfahrtmuseum eröffnet wurde. Danach wurde es gänzlich still um Jean Batten. So still, dass der Verleger ihrer Autobiographie „My Life”, erschienen 1938, sich zu sorgen begann. Schließlich sandte er das Dokumentarfilmer-Ehepaar Ian und Caroline Mackersey nach Palma. Deren Recherchen von 1987 ergaben, dass Jean Batten bereits fünf Jahre zuvor gestorben war.

Das Ende der einstigen Himmelsstürmerin war von erschreckend profaner Natur gewesen: Kurz vor ihrem Tod in Palma war die 73-Jährige leicht von einem Hund gebissen worden. Die Wunde entzündete sich, doch Batten vertraute auf die Selbstheilungskräfte des Körpers, lehnte ärztliche Hilfe ab. Am 22. November 1982 erlag sie den Folgen der Verletzung.

Was auch immer bei den Behörden damals mit der Bekanntgabe des Todes schiefging, Jean Batten wurde auf dem Friedhof in Palma in einem kommunalen Gemeinschaftsfeld für mittellos Verstorbene zur letzten Ruhe gebettet. Die exakte Lage in dem Massengrab ist somit nicht bekannt. Doch immerhin erinnert seit einigen Jahren eine Bronzetafel an die „Tochter des Himmels” vom anderen Ende der Welt.