Ist das nun eine Erfolgsgeschichte? Wir haben
mit Antonio Ferrer über das 30-jährige Jubiläum der „Bierstraße” an
diesem Samstag, 11. Juli, gesprochen. Der heute 65-jährige
Mallorquiner war der Gründer der Meile des deutschen Frohsinns –
und mit einem Dutzend Lokale lange Zeit Marktführer an der Playa de
Palma. Aber in seinen Erzählungen schwingt auch eine gehörige
Portion Bitterkeit mit. Die Story der Bierstraße, sie ist zumindest
eine unvollendete.
Antonio Ferrer Munar aus Costitx ist 14 Jahre alt, als er zum
Arbeiten an die Playa de Palma zieht. Acht Jahre später, 1966,
eröffnet er sein erstes Restaurant, „La Luna”. Sukzessive kommen
weitere Lokale hinzu, auch das „Lugano” an der Calle Miquel
Pellisa, jener Straße, die später nur noch als „Bierstraße” bekannt
ist.
Als er das Lebensmittelgeschäft „Matas” vis-à-vis übernimmt, ist
Antonio Ferrer auf der Suche nach einem Konzept. Die Idee seiner
Frau, einen Lederladen einzurichten, wird wieder verworfen. Eine
Reise durch Deutschland bringt den Jungunternehmer auf Kurs: „Mir
wurde klar, was die Deutschen wollen: Bier.” Ferrer möchte ein
original deutsches Bierlokal eröffnen.
Ein erstes Gespräch mit der Königsbrauerei verläuft ernüchternd.
Kein Interesse am spanischen Markt, wird ihm bekundet. Aber da ist
ja noch Gudrun, die Sekretärin des Brauereichefs, eine Bekannte aus
Mallorca. Um's kurz zu machen: Der Deal klappt doch noch.
Und Ferrer baut seine „König Pilsener Stube”, mit einem
deutschen Architekten, mit deutschen Materialien. Der Bau wird
unterkellert, das Fassbier von unten direkt zum Zapfhahn geleitet –
ein Novum auf Mallorca. Welche Gesetzeslücken der Wirt gefunden
hat, um deutsches Fassbier nach Spanien zu importieren, wäre eine
eigene Geschichte wert ...
Am 11. Juli 1979 ist es so weit: Die Stube wird eröffnet – „im
Beisein aller Autoritäten”. Aber die ersten zwei Monate sind „ein
Desaster”, wie sich der Chef erinnert. Es wächst die Angst, aufs
falsche Pferd gesetzt zu haben.
Aber plötzlich geht's los – die Kegelclubs sind eingeflogen.
Ferrer erzählt: „Eines Abends war der Laden voll. Am zweiten Tag
standen die Leute schon draußen auf der Treppe. Ich sagte meinen
Leuten: ,Gebt denen ein Bier.' Am dritten Tag waren mehr Leute vor
dem Lokal als drinnen. Und am vierten wollten alle auf der Straße
bedient werden – die Bierstraße war geboren.”
Es folgen goldene Jahre, weitere Lokale siedeln sich an, und die
Deutschen sind froh darüber, eine Tränke im Freien zu haben. Ferrer
erinnert sich gerne an die Kundschaft. Das seien elegante, gut
situierte Leute gewesen, nicht zu vergleichen mit dem späteren
Partyvolk der Playa.
Aber dann kommt auch schon der Bruch. Antonio Ferrer erzählt von
Neidern, von Konkurrenten und Hoteliers, die ihm das Leben schwer
machen. Irgendwann wird verboten, Tische auf die Straße zu stellen.
Ferrer ist sauer auf die Politik. Als Unternehmer werde man
verfolgt und schikaniert, während Hütchenspieler, ambulante
Verkäufer und Prostituierte in Ruhe gelassen werden.
Fehlgeschlagen ist auch sein Versuch, die Wirte der Bierstraße
zusammenzuschmieden, um das Projekt gemeinsam voranzubringen. „Es
hätte wunderbar sein können.” Mit einer einheitlichen Musiklinie,
mit einem ganzheitlichen Gastrokonzept („Warum nicht eine Ecke mit
Käse und Wein, es müssen doch nicht alle Bier trinken?”). Fazit:
„Ich habe mehr Feinde als Freunde gefunden.”
Mit 55 gibt der Pionier – im Übrigen auch Vater des
Gastronomieverbandes auf Mallorca und der Gastromesse Mostra de
Cuina – das Kämpfen auf und übergibt die Geschäfte seinen
Kindern.
Aber jetzt wird gefeiert: am Freitag, 10. Juli, ab 21 Uhr mit
Stammgästen und Geladenen im Köpi, und am Tag darauf im privaten
Kreis auf Ferrers Finca in Costitx. Letzteres ist aus der Not
geboren – bei einigen seiner Festideen für die Playa hatte der
Gastronom mal wieder Probleme mit den Genehmigungsbehörden.
Wir gehen mit ihm noch einmal die Bierstraße lang. Es ist früher
Abend, das Ambiente trist. Die Leute der benachbarten Bars erkennen
den Pionier nicht; Ticketeros wittern Beute, wollen uns zum
Ein-Euro-Bier lotsen. Die Happy-Hour-Gastronomie ist nicht die Welt
des Toni Ferrer. „Die Profi-Mentalität geht verloren – und damit
die Qualität. Und auf lange Sicht verlieren wir die Gäste, die uns
lieben.”
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