Mallorca – Ausgerechnet Mallorca: Obwohl die Insel mit ihrer
internationalen Bevölkerung gerne als europäische Musterinsel
bezeichnet wird und außerdem in einem Maße von Europa profitiert
hat, wie kaum eine andere Region, ist hier das Interesse an der
Staatengemeinschaft offenbar doch niedriger als anderswo. Wenn an
diesem Sonntag, 7. Juni, die Mitglieder des EU-Parlaments zur Wahl
stehen, dann dürfte die Beteiligung auf Mallorca erneut alle
Rekorde brechen – im negativen Sinne.
Gerade einmal jeder dritte stimmberechtigte Balearen-Bürger ging
vor fünf Jahren bei der letzten Europa-Wahl an die Urne – das ist
europaweit einer der niedrigsten Werte. Und diesmal könnte das
Ergebnis noch schlechter ausfallen. Denn schon jetzt ist klar, dass
die Zahl der Briefwähler deutlich unter dem Wert von 2004 liegt.
Besonders gering scheint das Interesse bei den ausländischen
Wählern zu sein.
„Wenn wir hier etwas durchsetzen wollen, dann müssen wir wählen
gehen”, sagt Joachim Wagner, Vorsitzender der EU-Bürgervereinigung
„Ciudadanos Europeos”. Er geht davon aus, dass rund 95.000
Nichtspanier auf Mallorca stimmberechtigt sind. Allerdings haben
sich nur 15.000 von ihnen ins Wahlregister eintragen lassen
(insgesamt sind diesmal 728.000 Personen wahlberechtigt). „Wir
ausländischen EU-Bürger würden viel mehr Gehör bekommen, wenn wir
alle unsere Stimme abgeben würden”, sagt Wagner.
Dass das Interesse an Europa ausgerechnet auf Mallorca so gering
ist, verwundert. Denn immerhin hat die Insel seit dem spanischen
EU-Beitritt eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte hinter sich. Die
Freizügigkeit, der Euro, die Angleichung nationaler Gesetze an
europäische Richtlinien – das alles hat Mallorcas Entwicklung als
Vielvölkerinsel und Touristenzentrum in besonderem Maße
begünstigt.
Rund eine Milliarde Euro sind bisher an Fördergeld von der EU
auf den Balearen investiert worden. Projekte wie den Flughafen in
Palma verdanken die Inselbewohner der EU. Auch ein Großteil der
Kläranlagen, ohne die die Wasserversorgung der Insel nicht
gewährleistet werden könnte, sind mit europäischem Steuergeld
finanziert. Selbst für die mallorquinische Seele wichtige Projekte,
wie der Kauf der als Ausflugsziel beliebten Quelle „Ses Fonts
Ufanes” in Campanet, wäre ohne die Finanzhilfe der EU unmöglich
gewesen.
Trotzdem aber überwiegt das Desinteresse – woran vor allem der
Mangel an Informationen schuld ist, wie viele Politiker vermuten.
Dass rund 80 Prozent aller Gesetze, die in Madrid und auf den
Balearen erlassen werden, auf Richtlinien der EU zurückgehen und
Europa somit den Alltag seiner Bürger bereits jetzt in hohem Maße
beeinflusst, sei vielen Menschen nicht bewusst. Die Liberalisierung
des Strommarktes, die Senkung der Roaming-Gebühren beim
Mobiltelefonieren, die Gültigkeit von Führerscheinen über
Ländergrenzen hinweg, die Stärkung der Verbraucherrechte – all das
ist letztendlich Europa-Politik.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.