Ein Mallorquiner, verhaftet von der Guardia
Civil - was für Außenstehende wie ein ganz normaler Vorgang
aussieht, weckt auf der Insel bei vielen Menschen Emotionen.
Abgespielt hat sich die Szene am Wochenende in Sa Pobla, wo sich
mehrere Tausend Jugendliche zu einem Zeltlager versammelt hatten.
Das sogenannte "Acampallengua" (frei übersetzt: "Sprachcamping")
wird vom Balearischen Kulturwerk OCB organisiert und soll den
Gebrauch des Catalán unter den Inseljugendlichen fördern.
In den frühen Morgenstunden des vergangenen Sonntag tauchten nun
plötzlich mehrere Polizisten auf und verhafteten den Organisator
des Zeltlagers, Bartomeu Martí. Angeblich soll er sich geweigert
haben, seinen Ausweis vorzuzeigen. Die Gegenseite beteuert, den
Polizisten habe es nicht gepasst, dass Martí Catalán gesprochen
habe. Beim Sprachenstreit auf Mallorca geht es um mehr als nur um
Sprache, um viel mehr.
"Es ist eines der drängendsten Themen, die es auf der Insel
gibt", sagt Jaume Santandreu. Der Pfarrer, der in Palma ein
Obdachlosenzentrum leitet, sitzt im Schatten auf der Terrasse und
redet sich in Rage. Die Szene in Sa Pobla regt ihn noch immer auf.
"Die Leute auf Mallorca fühlen sich auch heute noch unterdrückt,
wenn ihnen ein Polizist sagt: Sprich gefälligst Castellano mit
mir."
Jahrzehntelang waren die Polizisten der Guardia Civil die im
Alltag sichtbaren Vertreter der Franco-Diktatur auf der Insel,
meist kamen sie vom Festland, meist sprachen sie kein Catalán. Das
ist noch heute so. Für manchen Mallorquiner repräsentiert die
Guardia Civil die Fremdbestimmung durch Madrid, unter anderem eine
jahrzehntelange catalánfeindliche Sprachpolitik.
"Man muss sich das mal vorstellen", sagt der 69-jährige
Santandreu: "Catalán lesen und schreiben habe ich erst im
Priesterseminar gelernt. Bis heute mache ich dabei Fehler, obwohl
es doch meine Muttersprache ist." Jeglicher Catalán-Unterricht war
während der Franco-Diktatur in Spanien verboten. Die einzig
zulässige Sprache in den Klassenräumen war Castellano. Schüler, die
sich nicht daran hielten, wurden vielerorts hart be-straft. "Meine
Mutter konnte mir nie bei den Hausaufgaben helfen, weil sie kein
Castellano konnte."
Zum glühenden Verteidiger der katalanischen Sprache ist der ob
seiner stets schonungslos offenen Worte bekannte Santandreu in Peru
geworden. Dorthin war er als junger Pfarrer gegangen und traf auf
eine Bevölkerung, deren überwiegende Mehrheit nicht Castellano
sprach, sondern Quechua. Die Kirche und der Staat aber hätten
nichts unversucht gelassen, die Landbewohner zu Spanischsprechern
umzuerziehen. "Wenn wir das Catalán verteidigen, dann verteidigen
wir unseren Schatz, unsere Kultur und Identität."
Die Sorge um die Sprache ist der Ausdruck eines Lebensgefühls
vieler Inselbewohner, das vor allem von dem Wunsch der
Selbstbestimmung und der Ablehnung jeglicher Einmischung von außen
getragen wird. Eines der am häufigsten - und stets mit besonderem
Eifer - diskutierten Themen ist die Finanzverteilung in Spanien.
Madrid nimmt auf den Balearen seit Jahrzehnten zwar große Summen
Steuergeld ein, investiert auf den Inseln aber nur verhältnismäßig
wenig in Infrastruktur. Nicht wenige Mallorquiner verleitet das zu
der Annahme, die Inselbewohner wären ohne Abhängigkeit vom
spanischen Staat besser dran. "Mallorca ist nicht Spanien" - ein
Satz, den keineswegs nur politische Extremisten formulieren. Dieses
Unabhängigkeitsgefühl schwingt häufig mit, wenn Mallorquiner für
ihre Sprache kämpfen.
Ebenso wie die Angst vor Überfremdung. Was in Deutschland
vermutlich als Ausländerfeindlichkeit gewertet würde, ist hier wie
selbstverständlich Bestandteil alltäglicher Debatten. Was kosten
die Ausländer das balearische Gesundheitssystem? Wie kriminell sind
die Einwanderer? Kaufen Ausländer nach und nach die ganze Insel
auf? Dass die Einwanderung für Mallorcas Gesellschaft eine enorme
Herausforderung darstellt, ist unbestritten. Die Balearen sind die
spanische Region mit dem höchsten Ausländeranteil (fast 20
Prozent), nur rund die Hälfte der Inselbewohner ist auf Mallorca
geboren. "Müssen wir da nicht unserer Sprache schützen?", fragen
sich viele Mallorquiner.
Aina Moll betrachtet den stetig schwelenden Konflikt nur noch
aus der Ferne. Die 78-jährige Sprachwissenschaftlerin lebt heute
zurückgezogen bei Biniali, nachdem sie mehrere Jahrzehnte ihres
Lebens dem Catalán gewidmet hat. "Das Thema Sprache wird heute von
den Parteien für die politische Auseinandersetzung benutzt", sagt
sie. Aina Moll ist die Tochter von Francesc de Borja Moll,
Sprachwissenschaftler, Autor und Herausgeber vieler bedeutender
Bücher, darunter des "Diccionari Català-Valencià-Balear", dem bis
heute umfangreichsten Wörterbuch der katalanischen Sprache.
Aina Moll hat miterlebt, wie nach dem Ende des Spanischen
Bürgerkrieges 1939 alles Katalanische zunächst unterdrückt und dann
erst nach und nach wieder zugelassen wurde. Die von ihrem Vater
begründete Reihe katalanischsprachiger Klassiker "Les Illes d'Or"
durfte nur nach genauer Prüfung durch die Zensurbehörde in Madrid
erscheinen. "Nur was als politisch unbedenklich galt, durfte
erscheinen." Die katalanische Sprache zu benutzen war in den Jahren
nach dem Bürgerkrieg ein politischer Akt. "Anfangs konnte man
deswegen angezeigt werden", sagt Moll. Zumindest in der
Öffentlichkeit war Castellano die einzige geduldete Sprache.
Lediglich im Privaten hat das Mallorquín nie seinen Stellenwert
verloren und auch in den meisten Kirchen hielten die Pfarrer ihre
Ansprache an die Gemeinde stets in der Inselsprache. Für
Entspannung im Umgang des Regimes mit den Regionalsprachen sorgte
erst die Hinwendung Spaniens nach Europa in den 50er Jahren.
Verständnis für den erbitterten Streit um die Sprache hat trotz
alledem nicht jeder. Selbst Dorotea Ballermann räumt ein, dass ihr
die emotional geführte Debatte stets ein bisschen fremdbleibt. "Was
die Sprache angeht, kommen wir ja aus einem normalen Land", sagt
die 34-jährige Deutsche, die beim Balearischen Kulturwerk arbeitet
und hervorragend Catalán spricht. Dort organisiert sie Aktivitäten,
bei denen zugereiste Inselbewohner ihre Catalán-Kenntnisse erproben
können. Das kann ein Kinobesuch sein, ein Kochkurs oder eine
Käseprobe. Hauptsache, es macht Spaß - und es wird Catalán
gesprochen. Das ist die Hauptbedingung. "Manche nennen mich schon
Sprachpolizistin, weil ich so darauf achte, dass auch wirklich
Catalán gesprochen wird", sagt Ballermann. Woher die Liebe zu der
Inselsprache? "Das kann ich gar nicht erklären", sagt sie. "Es ist
einfach die Liebe meines Lebens."
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