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In seinen letzten Lebensjahren hatte sich John Ulbricht von der Welt zurückgezogen. Nicht, dass er zuvor ein sehr geselliger Mensch gewesen wäre. Aber wenn er lächelte, traf sein Lächeln das Herz der Menschen. Das Ungesellige entsprach auch seiner Sicht auf seinen Beruf als Künstler: „Malen”, hat John Ulbricht einmal gesagt, „ist eine einsame Tätigkeit. Sie wird nur unterbrochen durch den Dialog mit den großen Meistern.“

Mit den großen Meistern umgab er sich gerne und intensiv. Er beschäftigte sich schon früh mit Michelangelo, mit Rembrandt, mit Goya, mit Cezanne, später mit den Meistern des Bauhauses. Er war davon überzeugt, hatte von allen etwas gelernt, war zeitweilig von Matisse, Léger und Wilfrido Lam beeinflusst.

John Ulbricht wurde 1926 in Havanna geboren. Sein Großvater war um 1850 nach Mexiko als Militärattaché gegangen, sein Vater wurde in den Staaten geboren, arbeitete als Ingenieur auf Kuba.

John Ulbricht lebte dort nur fünf Jahre, lange genug, um Spanisch als seine zweite Muttersprache anzusehen. 1931 ging die Familie in die Vereinigten Staaten. So kam es, dass der junge John Ulbricht amerikanischer Soldat wurde.

Nach dem Krieg studierte er in Chicago am Kunstinstitut. Dort lernte er Angela von Neumann kennen. Deren Eltern waren 1926, kurz vor ihrer Geburt in Milwaukee, aus Deutschland in die Staaten gekommen. Deren Vater war ein hervorragender Illustrator und Kunstprofessor. Er liebte die deutschen Expressionisten. Angela von Neumann konnte sich niemals vorstellen, dass man anders leben kann, als umgeben von Büchern und Bildern. Das war, außer einer großen Liebe, die stärkste Verbindung zwischen ihr und John Ulbricht.

1950 heirateten John Ulbricht und Angela von Neumann und blieben bis zu seinem Tod im Jahr 2006 zusammen.

Anfang der 50er Jahre bereisten sie fast ganz Westeuropa. Und kamen auch nach Spanien, nach Mallorca. Zunächst mieteten sie ein Haus in El Terreno. Ihr Briefträger erzählte ihnen von einem kleinen Dorf in den Bergen. Und von einem Haus, das zu verkaufen sei. So kamen sie nach Galilea und blieben. Die Veränderungen der Insel haben sie hautnah erlebt.

In Galilea wurden die beiden Kinder, Saskia und Joan Jr. geboren. Integration war so selbstverständlich, dass man gar nicht darüber nachdachte.
Eines der schönsten und wichtigsten Porträts von John Ulbricht zeigt den ehemaligen Bürgermeister von Galilea, Don Matías Balaguer. Zum 40. „Jubiläum“ in Galilea erhielt jeder Dorfbewohner über 40 Jahre eine Lithografie des Dorfes „als Dankeschön, dass wir hier ein Zuhause gefunden haben“. Ein Exemplar hat einen Ehrenplatz in der Dorfbar.

Die Namensliste der Ulbricht-Porträts ist lang: unter anderem malte er Pablo Picasso, Joan Miró, Simone Weill, Miguel Ángel Asturias, Camilo José Cela, La Chunga, Tom Courtenay, Lord Mountbatton, Che Guevara, Vicente Aleixandere, Gerald und Betty Ford sowie viele andere amerikanische Präsidenten – und immer wieder seine Frau Angela.

Niemand hat je lange Modell gesessen. John Ulbricht hatte ein phänomenales Gedächtnis. Und er durchlief im Laufe seines Lebens verschiedene Stilrichtungen, von der Abstraktion über ganz realistische Bilder, vom Impressionismus zum Pointillismus. Gemeinsam ist allen Bildern das Licht, viel Licht. „Das ist der Einfluss des Mittelmeerraumes”, davon war John Ulbricht überzeugt. „Auch nach so vielen Jahren entzückt es mich immer noch. Ich mache meine Skizzen oft noch draußen, male dann aber hier im Studio. Manche Bilder sind realistisch, andere nicht. Wie mein eigenes Naturell. Ich bin ein Nord-Süd-Mensch“, erzählte John Ulbricht.

Landschaften und Porträts – das war für John Ulbricht kein Gegensatz. In seinen Landschaften, Blumen oder Pflanzen entfloh er der „Sklaverei der Realität” und schenkt dem Betrachter einen Rausch von Farbe. Zum Schluß war er müde. Das waren auch die letzten Worte an seine Frau Angela. Er starb am 7. Dezember 2006. Ein paar Stunden zuvor hatte er noch gemalt.

John Ulbricht im Centre Cultural Contemporani
Pelaires, Palma, Via Veri.

Vernissage 16. Dezember
20 Uhr.