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Sancho, der 15-jährige Sohn von Sandra Stark, wickelt einen dreijährigen Hengst in eine große, raschelnde Plastikfolie, lässt ihn über Stangen gehen und stehen, klettert auf seinen Rücken – und der Braune macht bereitwillig alles mit. „Wir machen es in unserer Familie wie die Indianer“, erklärt die Pferde- und Reitertrainerin, die auf Mallorca unter dem Name „Horseconnection“ Kurse, Seminare und Stunden anbietet: „Die geben Jugendlichen ein junges Pferd an die Hand. Das bedeutet Verantwortung, aber auch jede Menge Spaß.“ Sancho Stark zeigt an diesem Nachmittag auf der Finca Ca´n Correm bei Campos, wie weit er mit der Ausbildung seines kleinen Wildfangs schon gekommen ist. Und Sandra Stark will damit wohl auch beweisen, dass in jedem Reiter ein kleiner „Pferdeflüsterer“ steckt. Dass Sanchos Hengst nach einer Weile unter einer provisorischen Absperrung hindurch huscht und über ein Gatter hinweg in eine andere Koppel springt, quittiert sie mit einem Lachen: „Klar, der will jetzt lieber wieder zurück zu seinen Kumpels.“ Kein böses Wort, keine Hektik. Und schon gar keine Gewalt: Sandra Starks „mentales Pferdetraining“ basiert auf der Philosophie, dass Reiter mit einer klaren Kommunikation, mit Verständnis, Vertrauen und gegenseitigem Respekt weiter kommen als mit Peitsche und Sporen.

Auf Mallorca und anderswo bieten immer mehr „alternative“ Reitlehrer ihre Dienste an, die neben einer artgerechten Haltung des Pferdes auch eine artgerechte Arbeit mit dem Pferd vertreten, und die auch mit ihren Schülern einen liebevollen Umgang pflegen, statt sie auf dem Platz anzubrüllen. Beeinflusst sind sie in der Regel vom „Natural Horsemanship“ und ähnlichen Methoden, die auf Verhaltensforschung und Pferdepsychologie basieren – und auf der Devise, dass an erster Stelle das Wohl des Pferdes steht, und erst dann die Ziele des Reiters kommen.

Die sogenannten „Pferdeflüsterer“ vollbringen oft erstaunliche Veränderungen bei ihrer Arbeit mit problematischen Pferden, die Grundzüge eines leichten, stress- und gewaltfreien Umgangs mit Pferden kann aber jeder relativ schnell lernen. „Leider ist dieser Denkansatz aber immer noch nicht so landläufig“, sagt Sandra Stark. Im Vergleich zu anderen „ganzheitlichen“ Pferdetrainern und Reitlehrern kommt es ihr vor allem „auf die Qualität der Kommunikation mit dem Pferd“ an. Ihre Methode sei auf alle Reitstile übertragbar. Profitieren könnten davon Pferde und Reiter in allen Niveaus, auch Nichtreiter sollen in ihren Seminaren (wieder) ein feineres Gespür für die Wahrnehmung der Umwelt entwickeln und lernen, sich auch ohne Befehlston zurchzusetzen. In Seminaren oder im Einzelunterricht will Sandra Stark ihre Schüler „ganz individuell dort abholen, wo sie gerade stehen“. Zuerst schaue sie sich an, wie das Verhältnis zwischen Pferd und Reiter ist: „Das sieht man im ganz Alltäglichen.“ Ihre Schüler sollten als erstes in Frage stellen, was sie bislang als gegeben hingenommen haben. Das gelte auch für Probleme, die sich eingeschlichen haben:Das Pferd geht nicht in den Hänger, es steht nicht still beim Aufsitzen... „Vieles lässt sich recht einfach lösen.“ Ein großer Teil ihres Trainings findet am Boden statt. Hier sollen Mensch und Tier auf spielerische Art einen gemeinsamen Rhythmus finden, ein Gespür für die Bewegungen des anderen entwickeln und „ihre Kommunikation verfeinern“ – was später auch dem Reiten zugute kommt. Sandra Stark vergleicht das mit einem möglichst leichtfüßigen Tanz, bei dem keiner dem anderen auf die Zehen tritt. Das Spielerische und die Bodenarbeit kommt ihrer Meinung nach oft zu kurz, auch weil das in vielen Reitbetrieben belächelt werde.

Inzwischen hat Sancho seinen Wildfang wieder auf den Platz geholt, aber nur, um ihn zusammen mit seinen „Kumpels“ in die wohlverdiente Mittagspause zu schicken.