Eine dünne rote Linie zieht sich über die
Landkarte. Mal verläuft sie ganz nah am Meer entlang, mal etwas
weiter weg – und manchmal reicht sie bis weit ins Landesinnere. Von
dieser Linie hängt viel ab. Denn sie markiert die Grenze des
Küstenbereichs – und die Küste gehört in Spanien allen. Hier kann
niemand Privatbesitz haben. Zumindest sieht das das spanische
Küstengesetz von 1988 so vor. Die sozialistische Regierung in
Madrid macht jetzt Ernst und enteignet auf der Grundlage dieses
Gesetzes landauf, landab Tausende von Immobilienbesitzern, die zu
nah an der Küste gebaut haben.
Protest regt sich vor allem auf dem Festland. Auf Mallorca sind
bisher keine Betroffenen an die Öffentlichkeit gegangen. Dabei wird
auch hier die Küste in diesen Monaten völlig neu definiert. Rund 70
Prozent der 650 Kilometer Inselküste sind bereits erledigt, der
Rest soll bis Ende 2009 folgen. Swimmingpools, Hotels, Strandbars,
aber auch Privathäuser fallen in Zukunft in den Küstenbereich. In
den meisten Fällen wird dann ein Nutzungsrecht für 30 Jahre
vereinbart – verlängerbar um weitere 30 Jahre. Bauliche
Veränderungen sind nicht mehr möglich, Verkauf oder Vererben sind
ausgeschlossen, sogar für Renovierungen braucht es eine
Sondergenehmigung.
So ist es auch Nordhild Köhler ergangen. Die 66-jährige
Wiesbadenerin besitzt seit 1980 ein Reihenhaus auf Mallorcas
Nachbarinsel Formentera, 150 Meter vom Meer entfernt. In den 90er
Jahren wurde der Verlauf der Küstengrenze dort neu festgelegt.
Seitdem steht Köhlers Haus mitten in der „verbotenen Zone”. Völlig
unverständlich ist ihr der Verlauf der Küstengrenze, die nun als
dünne rote Linie auf der Landkarte zu sehen ist. „Ein einziges
Zickzack”, sagt Köhler. „Mal verläuft sie 20 Meter vom Meer
entfernt, mal 350.” In der gleichen Bucht seien zwei große Hotels,
mindestens ein Privathaus, zwei Restaurants und ein Supermarkt in
unmittelbarer Strandnähe ausgespart worden. Ihr Haus dagegen nicht.
„Das ist doch überhaupt nicht nachvollziehbar”, sagt Köhler.
Wichtigstes Kriterium für die Festlegung des Grenzverlaufs ist
laut Küstengesetz, bis wohin das Meerwasser reicht – im Extremfall,
also bei Unwetter. Bis zu ihrem Haus sei das Meer noch nie
gekommen, beteuert Köhler. Ebenso wenig versteht sie, warum ein
Gesetz angewandt werden darf, dass es noch gar nicht gab, als sie
ihr Ferienhaus kaufte. „Wenn ich gestern irgendwo geparkt habe, und
morgen wird da ein Parkverbot eingerichtet – dann gilt das doch
auch nicht rückwirkend.” Die Betroffenen des Küstengesetzes haben
mittlerweile eine spanienweite Protest-Plattform gegründet
(afectadosleydecostas. blogspot.com), weil sie sich ungerecht
behandelt fühlen. Die Vorwürfe gegen die Küstenbehörde sind
vielfältig. Einer lautet: „Die Küstengrenze wird im Geheimen neu
gezogen, ohne dass die Anwohner informiert werden. So wissen viele
noch gar nicht, dass ihnen ihr Haus nicht mehr gehört.”
INFO:
DEMARCACIÓN DE COSTAS
Für die Grenzziehung zwischen staatlicher Küstenzone und
Privatbesitz ist auf Mallorca die Demarcación de Costas zuständig.
Die Behörde sitzt in Palma im gleichen Gebäude wie das Ausländeramt
(Ciudad de Querétaro s/n, 2. OG). Hier kann jeder Einblick nehmen
in die offiziellen Karten sowie Pläne und sich so ein Bild
verschaffen von der Gegend, in der er Immobilienbesitz hat. Bei
einem MM-Testbesuch waren die Mitarbeiter freundlich und
hilfsbereit. Allerdings muss man genau wissen, was man sucht. Denn
das Kartenmaterial ist in sehr großem Maßstab vorhanden. Allein das
Küstengebiet von Llucmajor ist in 106 Abschnitte unterteilt – für
jeden von ihnen gibt es einen separaten Plan. Es ist auch möglich,
in dem Amt Fotokopien der Pläne anzufertigen.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.