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VON ALEXANDER SEPAGOSARIAN
Als der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón die Verbrechen der Militär-Junta in Argentinien unter die Lupe nahm und sogar den chilenischen Diktator Pinochet in Bedrängnis brachte, avancierte er zum Vorzeige-Richter in Europa.

Nun widmet sich Garzón den Verbrechen der Militärdiktatur im eigenen Land und sorgt damit für Irritationen. Kein Wunder: Garzón rührt am Tabu der jüngeren spanischen Geschichte. Sein Entschluss, das Schicksal Zehntausender Verschwundener aus dem Bürgerkrieg und der anschließenden Franco-Diktatur untersuchen zu lassen, droht jenen „Pakt des Schweigens” aufzubrechen, der nach Francos Tod 1975 den Übergang von der Diktatur zur Demokratie ermöglicht hatte.

Garzóns Vorhaben ist konsequent. Wer vor fremden Türen kehrt, sollte auch das eigene Haus sauber halten. Dass Angehörige nahezu 70 Jahre nach den tödlichen Repressalien der Franquisten noch immer Aufklärung über den Tod ihrer Väter und Großväter einfordern müssen, ist kein Ruhmesblatt für den Rechtsstaat. Es ist nicht vermittelbar, dass diesen Menschen bislang nicht geholfen wurde, ihre Toten in den anonymen Massengräbern zu finden. Allein auf Mallorca wurden mehr als 1000 Menschen bei Nacht und Nebel hingerichtet und verscharrt.

Es geht den Hinterbliebenen zumeist nicht um Rache, sondern um die öffentliche und gesellschaftliche Anerkennung, dass ihren Angehörigen einst Unrecht geschah. Ihr Anliegen ist psychologisch nachvollziehbar und menschlich angebracht. Von daher verdient Garzóns Vorstoß Respekt.

Kompliziert wird die Angelegenheit jedoch dadurch, dass nicht absehbar ist, welche juristischen Folgen sich daraus ergeben. Bedeutet eine Rehabilitation der Opfer auch, dass ihre einst enteigneten Besitztümer zurückzuerstatten sind? Was, wenn findige Anwälte im Anschluss Millionen an Wiedergutmachung verlangen? Wird am Ende an den Grundfesten des demokratischen Staates gerüttelt, der bekanntlich der einstigen Diktatur entwachsen ist? Garzón, und das spüren wohl alle Parteien, macht mit seinem Vorhaben wahrlich ein Fass auf, das den Politikern noch viel Kopfzerbrechen bereiten dürfte.