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Die ganze Plaça Cort ist voll von Menschen in grünen und bordeauxroten Hemden, teilweise barfuß, allesamt in weißen Hosen und mit schwarzen Schärpen. Die Kleinsten sind gerade einmal fünf Jahre alt und tragen einen Helm, manche Erwachsene haben sich in Piratenmanier Tücher um den Kopf gebunden.

Plötzlich erschallen die Klänge der typisch katalanischen Sardana-Musik, und aus der bunten Menschenmenge erhebt sich ein Turm. Innerhalb von ein paar Minuten "stapeln" sich Männer, Frauen und Kinder bis zu sieben, acht Meter in die Höhe, um unter dem lauten Applaus der Umstehenden langsam und ohne jede Hast wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren.

Dieses Schauspiel wiederholt sich gleich mehrere Male, und immer hat die Pyramide aus menschlichen Körpern eine andere Architektur: Mal wächst ein Turm aus fünf aufeinanderstehenden Akrobaten in die Höhe, schmal und spitz wie ein Minarett, mal entsteht ein prunkvolles "Bauwerk" mit drei Türmen.

Dem unbeteiligten Zuschauer stockt immer wieder der Atem, wenn die Kleinsten der "Castellers" mit höchstens fünf Jahren behende wie die Äffchen mehrere "Stockwerke" des menschlichen "Gerüsts" hinaufklettern. Dabei wackelt und zittert das ganze Bauwerk und es wird einem angst und bange um die Kleinen da oben in sieben Meter Höhe. Unter dem tosenden Applaus der Umstehenden kommen sie jedoch wieder wohlbehalten herunter. Nachdem sich das Menschenknäuel wieder aufgelöst hat, fallen sich die Beteiligten in die Arme, feiern sich und den erfolgreichen Turmbau.

Natürlich gebe es da auch Stürze, erzählt Kris von den "Castellers de Mallorca". Außerdem erhalte man jede Menge Tritte und Schläge, je weiter unten man in der Pyramide stehe, ergänzt ihre Freundin Xisca. "Aber Fußball ist gefährlicher", sind sich die beiden jungen Frauen einig. Xiscas Sohn Rafel ist einer von den Fünfjährigen, die eben noch in luftiger Höhe herumbalancierten, knapp ist seine Antwort auf die Frage, ob er dabei Angst habe: "Nein!" Seine Mutter kann die Gelassenheit ihres Sprosses nicht teilen: "Selbstverständlich mache ich mir jedes Mal wieder Sorgen um ihn." Die Menschentürme ("Castells") sind katalanisches Brauchtum, das sich jedoch wohl kaum für Leute mit Höhen- und Berührungsängsten eignet.