Sie sitzen tief gebeugt und füllen die
vorgezeichneten Formen des Mandala mit Sand und Pigmenten. Der Sand
strömt durch Reiben auf geriffelten Röhren auf das Bild, mal in
ganz dünnem Strahl, mal größer. Die Farben symbolisieren die Kräfte
des Universums.
Für westliche Betrachter eine mühselige Arbeit, denn die
Struktur ist fein. Für die beiden buddhistischen Mönche ist es eine
Form der Meditation, die je nach Abstraktionsgrad des Mandalas zu
großer geistiger Konzentrationsfähigkeit führt. Die Fertigung
solcher Sandbilder kann Stunden bis Wochen dauern. Danach wird das
Werk weggewischt. So soll Vergänglichheit und Ablösung von der
materiellen Welt symbolisiert werden.
Um die Ausdrucksformen des tibetischen Buddhismus geht es in der
Ausstellung „Kunst aus Tibet – Bilder zur Meditation“, zurzeit zu
sehen im Gran Hotel. „Ich möchte den Besuchern eine Lesehilfe'
geben“, sagt Miriam Lambrecht, Kuratorin der Ausstellung. „Die
buddhistische Ikonographie scheint schwierig und komplex. Sie folgt
aber strikten, festgelegten Regeln. Daher wurden in der Ausstellung
auch schematische Zeichnungen neben einige der Exponate gestellt.“
Gezeigt werden neben den Sandmandalas vor allem Thangkas und
Skulpturen. „Thangka bedeutet wörtlich: Was man auf- und einrollen
kann“, sagt Miriam Lambrecht. „Diese Rollbilder werden zur
Meditation in Tempeln oder Hausaltären aufgehängt; oft auch bei
Prozessionen mitgeführt.“ Kernstück der Ausstellung sind zwölf
Thangkas mit Szenen aus dem Leben des historischen Buddha. „Es ist
die einzige komplette Sammlung dieser Art, die es nach meiner
Information in einem Museum gibt. Die Thangkas stammen aus dem 17.
bis 19. Jahrhundert“, sagt Miriam Lambrecht.
Sie ist verantwortlich für die indische und asiatische Sammlung
des Königlichen Museums für Kunst und Geschichte in Brüssel, das
die Exponate zur Verfügung gestellt hat.
Sie stammen aus der Sammlung von Léon Verbert, einem belgischen
Finanzier und Diplomaten, der zwischen 1907 und 1935 in China
gelebt und gearbeitet und rund 600 Kunstwerke aus dieser Region
zusammengetragen hat. 1951 hat er seine Sammlung dem Museum
übereignet. „Tibets Kunst“, sagt Miriam Lambrecht, „ist tief
religiös und mit dem Buddhismus verbunden. Das tibetanische
Götterpantheon ist das weiteste unter allen Richtungen des
Buddhismus, der nach Tibet im 7./8. Jahrhundert kam. Die Tibetaner
haben ihre bereits zuvor verehrten Gottheiten mit eingebracht.“ So
zeigen die Thangkas neben Buddha als historische Person oder in den
unterschiedlichen Erscheinungsformen etwa auch vier Königswächter,
die – so Miriam Lambrecht – im Buddhismus besonders wichtig sind,
denn sie schützen die Welt: „Man erkennt sie wie christliche
Heilige an ihren Attributen“, sagt die Kuratorin.
Die meisten Exponate stammen aus der Zeit vom 17. bis zum Beginn
des 20. Jahrhunderts. „In der buddhistischen Kunst sind Zeit- und
Ortsangaben schwierig. Die Künstler bleiben unbekannt. Als
Faustregel kann gelten: Je weniger Landschaft ein Thangka zeigt, je
mehr Rot verwendet wird, umso älter ist das Bild. Je mehr
Landschaft, umso größer ist der chinesische Einfluss, umso jünger
ist das Bild.“ Eine zentrale Rolle im Buddhismus spielen die
„wilden“ Gottheiten: insgesamt gibt es acht, darunter eine
Frau.
Ein Beispiel in der Ausstellung ist eine Bronze-skulptur aus dem
18. Jahrhundert mit mehreren Armen und mehreren Köpfen. Sie
symbolisiert das Universum mit der guten Gottheit, die als Schutz
oben thront und alles Böse abwehrt.
Außerdem zu sehen sind rituelle Gegenstände, Buddha- und
Lamastatuen aus verschiedenen Jahrhunderten, Bucheinbände.
Auch wer sich nicht für östliche Religion interessiert, wird in
dieser Ausstellung von der Schönheit, Grazie und Anmut der Exponate
fasziniert sein.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.