Das war das Königreich, das Sanç beim Tode seines Vaters Jaume
II. erbte. Mallorca hatte damals kaum mehr als 70.000 Einwohner,
von denen etwa zehn Prozent Sklaven waren. Viele von ihnen waren
Mauren, die nach der Eroberung nicht niedergemetzelt oder
vertrieben, sondern eben als Sklaven verkauft worden waren und
nunmehr für die neuen christlichen Herren schuften durften. Der
neue König Sanç war der zweite Sohn von Jaume II., denn sein
älterer Bruder, der erstgeborene Jaume, verzichtete auf seine
Thronrechte und trat dem Franziskanerorden bei. So wurde Sanç 1302
zum Thronerben und beim Tode seines Vaters 1311 in der Kathedrale
von Palma als König von Mallorca gekrönt. Sanç war genauso gutmütig
und friedfertig wie sein Vater, und das war in der damaligen rauen
Zeit nicht gerade die beste Vorraussetzung, für einen Herrscher in
einem kleinen Königreich. Außerdem musste er Diener zweier Herren
sein, die sich seit Generationen befehdeten und um die
Vormachtstellung im Mittelmeer stritten: Er hatte als König von
Mallorca dem katalanischen König und als Herr von Montpellier dem
französischen König die Treue zu halten. Mit dem katalanischen
König hatte er noch Glück, denn sein Vetter Jaume II., genannt der
Gerechte, war selbst ein friedfertiger Mensch, und die beiden
Monarchen unterhielten jahrelang recht freundschaftliche
Beziehungen. Aber mit dem Herrscher der anderen Großmacht,
Frankreich, hatte er schon eher Schwierigkeiten. Trotzdem verstand
er es, sein Reich intakt zu halten.
Einmal nur hatte er echte Probleme mit seinem Vetter. Als Sanç
sah, dass er aus seiner Ehe mit der Prinzessin Maria von Neapel
keine Kinder bekam, ernannte er seinen Neffen Jaume, den künftigen
Jaume III., Sohn seines Bruders Ferran, zum Thronfolger. Das war
seinem Vetter Jaume dem Gerechten nun doch nicht so recht, denn er
meinte, wenn der König von Mallorca keine direkten Nachkommen
hätte, dann müsste das Königreich erneut der katalanischen Krone
einverleibt werden. Schon sah es so aus, als sollte der Krieg
zwischen den beiden Monarchen unvermeidlich sein, aber durch die
Vermittlung des Bruders von Sanç, Phillip von Mallorca, und des
Papstes Johannes XXII. war es möglich, den Konflikt friedlich
beizulegen. Dass er keine legitimen Nachkommen hatte, lag
offensichtlich nicht an ihm, denn er hinterließ einen unehelichen
Sohn und drei uneheliche Töchter.
Für seine Untertanen war der friedliche Charakter des Monarchen
durchaus von Vorteil. Er verstand es nicht nur, durch Abkommen mit
Frankreich und Katalonien, die ihn nicht gerade billig zu stehen
kamen, aber auch mit maurischen Herrschern in Nordafrika, den
Frieden zu sichern und den Wohlstand seines Königreiches zu mehren,
sondern auch entscheidende Schritte zu tun, um die sozial Schwachen
zu schützen und durch Schaffung von Vertretungskörperschaften die
Rechte seiner Untertanen zu erweitern.
So gründete er bereits im Jahre 1313 die sogenannte ,,Caixa dels
Mariners”, eine Wohltätigkeitsinstitution, die für in Not geratene
Seeleute sorgte. Und zwei Jahre später schuf er mit dem ,,Gran i
General Consell” eine Beratungskörperschaft, in der die
verschiedenen Stände des Reiches vertreten waren und die über
wichtige Belange des Königreiches durch Abstimmung entschied.
Anfänglich setzte es sich zusammen aus den ,,Jurats” der Stadt
Palma, die das eigentliche Ausführungsorgan der Beschlüsse des
,,Gran i General Consell” – also in etwa vergleichbar mit einer
heutigen Regierung – waren, und den gewählten Vertretern der 32
Pfarreien der übrigen Insel.
Mit der Zeit wechselte die Zusammensetzung des ,,Gran i General
Consell”, das um die Mitte des 13. Jahrhunderts bis zu 250
Mitglieder zählte, und vor allem die Form der Wahl seiner
Mitglieder, die immer für ein Jahr gewählt waren. Zunächst wurden
sie von den ,,Jurats” ernannt, aber ab Mitte des 13. Jahrhunderts
wurde das System des ,,Sac i Sort” eingeführt: Die ,,Consellers”
wurden ausgelost, indem die Namen der wählbaren Bürger in einen
Sack getan wurden, und ein siebenjähriger Junge zog dann nach und
nach die Zettel. Die so ausgelosten Bürger waren verpflichtet, das
Amt anzunehmen.
Diese Art von Parlament bereitete die Gesetze vor, die dem König
vorgeschlagen werden sollten, und hatte weitreichende Kompetenzen
in den verschiedensten Bereichen, von der Steuerpolitik bis zur
Bereitstellung von Streitkräften für die Verteidigung des
Königreichs. Seine Beschlüsse mussten von den ,,Jurats” ausgeführt
werden. Vor allem aber hatte das „Consell” die Aufgabe, die
verfassungsmäßige Ordnung zu schützen. Die Vertretung der Dörfer
und Pfarreien außerhalb von Palma, die König Sanç einführte, war
deswegen so wichtig, weil dadurch die Möglichkeit geschaffen wurde,
die Konflikte zwischen Stadt und Land beratend zu lösen. Dennoch
muss man sagen, dass die Stadt immer ein Übergewicht im ,,Consell”
hatte, so dass die Konflikte nicht ausblieben.
Diese Art der Vertretung wie alle anderen Sonderrechte Mallorcas
wurden erst 1718 vom spanischen König Philip V., dem ersten
Bourbonenkönig, abgeschafft, der damit die Mallorquiner dafür
strafte, dass sie im Spanischen Erbfolgekrieg bis zuletzt für den
habsburgischen Thronprätendenten gekämpft hatten. Dieser ließ sie
prompt im Stich, als er zum deutschen Kaiser gekürt wurde.
König Sanç sorgte auch dafür, dass die Streitigkeiten, die mit
dem Bischof von Barcelona als Feudalherrn entstanden waren, durch
einen Vergleich beigelegt wurden. Der Bischof von Barcelona war an
der Eroberung der Insel beteiligt gewesen und hatte also auch bei
der Verteilung der Insel einen entsprechenden Anteil bekommen. Die
konkurrierende Zuständigkeit von Bischof und König in diesen
Gebieten führte oft zu Konflikten, die durch diesen Vergleich,
genannt ,,Baronia del Pariatge”, geregelt wurden.
König Sanç litt an Asthma, und deshalb residierte er oft in dem
Königspalast zu Valldemossa, der deshalb noch heute als Palast des
Königs Sanç bekannt ist. Im Sommer ließ er sich zu einer
Sommerresidenz tragen, die er auf dem Gipfel des Teix bauen ließ.
Während einer Reise in die Kontinentalgebiete seines Königreichs
starb er im Jahre 1324 in der Cerdanya, die heute zu Frankreich
gehört, und wurde in der Kirche des Heiligen Johannes in Perpignan
begraben.
Der Autor starb am 26. August 2007. Zum Gedenken an den
Politiker und Publizisten wiederholt MM die im Jahre 2001
entstandene Serie über Mallorquiner, die
Geschichte machten.
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