Nach mehr als drei Monaten Belagerung,
blutigstem Schlachtengetümmel, Krieg, Morast, Regen, Kälte und
Hungersnöten brach die letzte Verteidigungsmauer: Am 31. Dezember
1229 eroberten die Truppen des aragonesischen Königs Jaume I.
Medina Mayurka, das heutige Palma. In den Gassen der maurischen
Stadt wurde der letzte Widerstand der Unterlegenen gewaltsam
gebrochen, die Häuser der Einwohner zur Plünderung freigegeben.
Arabischen Chronisten zufolge flossen damals, in der heutigen
Altstadt, Ströme von Blut. Nach drei Jahrhunderten Maurenherrschaft
begann auf der Insel ein neues Zeitalter (siehe auch S. 24).
Mallorcas Erobererkönig Jaume I. war bei der Einnahme von Palma
ein junger Mann von 21 Jahren. Exakt 800 Jahre ist es nunmehr her,
dass er in Montpellier das Licht der Welt erblickte hatte. Aus
diesem Anlass begeht Mallorca das Jubiläum mit einem "Any Jaume I",
einem Jaume-Jahr.
Für gewöhnlich ist es der Geburtstag, der den Höhepunkt eines
solchen Gedenkjahres bildet. Im Falle von Jaume ist der Termin, 2.
Februar, aber bereits verstrichen, ohne dass er von den
Institutionen in besonderer Weise wahrgenommen worden war. Die
Tageszeitung "Ultima Hora" monierte einen Tag danach, dass am
prominenten Reiterstandbild des Erobererkönigs auf der Plaza España
in Palma an seinem Ehrentag weder Fahnen gehisst noch Kränze
niedergelegt worden seien. Die Behörden hätten, so die Kritik, den
Termin schlicht vergessen.
Nach dem Geburtstag ging ein Ruck durch die politischen
Instanzen: Am 5. Februar gab das Balearen-Parlement eine Erklärung
ab, in der Jaume I. als "Haupt-Mythos" der Insel und als
"Identifikationsmerkmal" bezeichnet wurde, "das bis zu unseren
Tagen angedauert hat". Auch in den Kommunen meldeten sich die
Getreuen des "Rei en Jaume" zu Wort: In Manacor etwa forderte die
links-regionalistische PSM-Opposition am 8. Februar den
konservativen Bürgermeister auf, die Stadt möge sich an noch
anstehenden Aktivitäten des Gedenkjahres beteiligen.
Der Festreigen zum 800. Geburtstag hat nun unter den Auspizien
von Mallorcas Inselrat seinen Anfang genommen: Auftakt war am 2.
September eine Tagung zu Jaume I. in Vilafranca. Den Abschluss
bildet eine Ausstellung über den Erobererkönig, die am 7. Oktober
im Kulturzentrum der Sa-Nostra-Sparkasse eröffnet wird.
Das 800-er Jubiläum fällt zusammen mit der "Diada de Mallorca",
dem institutionellen Mallorca-Tag, den der Inselrat 1997 ins Leben
rief. Die Diada findet stets am 12. September statt. Hintergrund
ist ein historisches Ereignis: Am 12. September 1276 bestätigte
Jaume-Nachfolger Jaume II. die Rechte und Privilegien, die sein
Vater der Insel eingeräumt hatte. Das Datum gilt als der offizielle
Beginn des eigenständigen Königreichs Mallorca, denn Jaume I. hatte
sein Herrschaftsgebiet unter seinen Söhnen aufgeteilt. Der heutige
Inselrat sieht sich in der Tradition des einstigen Königreichs und
begeht die Diada mit politischen Festreden und der Vergabe von
Verdienstmedaillen. Weitere Programmpunkte des Festakts sind an
diesem Freitag ein Umzug mit folkloristischen Riesenfiguren
("Gegants") und ein Gottesdienst in der Kathedrale. Volkstümlicher
geht es am Samstag, 13. September, zu, mit einem Großkonzert an der
Playa (siehe Veranstaltungskalender).
Begangen werden die 800 Jahre Jaume I. auch im Rahmen der
Feierlichkeiten von Santa Ponça, die an die Landung des
Erobererkönigs auf Mallorca erinnern. Dieses Ereignis wird oft und
irrtümlich für den Anlass der "Diada de Mallorca" gehalten.
Gefeiert wird am Strand in Form eines Historienspektakels, bei dem
die Ankunft der Truppen nachgespielt wird. Der Erobererkönig war
mit seiner Flotte in der Nacht zum 10. September 1229 in der Bucht
eingelaufen und an Land gegangen. An jener Stelle befindet sich
heute das steinerne Gedenkkreuz. Ein erstes Scharmützel der Mannen
Jaumes mit einer maurischen Vorhut an jenem Tag sind das Ereignis,
das die kostümierten Heerscharen in Santa Ponça feuchtfröhlich
nachstellen. Bei der diesjährigen Veranstaltung am vergangenen
Samstag fiel die Ankunft der Eroberer jedoch ins Wasser: Wegen
hoher Wellen konnten die Jaume- und Söldner-Darsteller nicht per
Boot anlanden. Die Schlacht im Sand gewannen sie dennoch wie
gewohnt.
Anders als in den Vorjahren gab es diesmal sogar eine verbale
Politschlacht: Calviàs konservativer Bürgermeister Carlos Delgado
schoss scharf gegen jene Kräfte, die den "Mythos Jaume I." zu einem
Akt katalanischer Eigenständigkeit haben pervertieren lassen, so
Delgado. Die christliche Wiedereroberung der Insel ("reconquista")
habe jedoch bereits den Keim der spanischen Einheit in sich
getragen. Ein Aspekt, den Delgado betont wissen möchte. Aus diesem
Grund erklang bei der diesjährigen Feierstunde am Steinkreuz
erstmals auch die spanische Nationalhymne.
Die Reaktion der links-regionalistischen PSM ließ nicht auf sich
warten: Delgado habe mit seiner spanienzentrierten Sicht
("españolismo") die feierliche Bedeutung des institutionellen Akts
herabgewürdigt. 1229 habe Spanien gar nicht existiert. Der Alkalde,
so der Vorwurf, lege die Geschichte auf seine Weise aus.
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