Seit Monaten erschüttert ein Skandal nach dem anderen Mallorca.
Korruption, Vetternwirtschaft und Verschwendung von Steuergeldern
scheinen unter Inselpolitikern jahrelang zum Alltag gehört zu
haben. Das Linksbündnis „Bloc” fordert jetzt ein hartes Vorgehen:
Alle Steuererklärungen von Politikern der vergangenen zehn Jahre
sollen auf den Prüfstand. Wer hat sich im Amt bereichert – diese
Frage soll so geklärt werden. Nicht alle Parteien wollen sich der
Überprüfung unterziehen. Das Mallorca Magazin traf Gabriel
Barceló, den Sprecher des „Bloc” im Balearen-Parlament, zum
Interview.
MM: Sind Sie ein misstrauischer Mensch, Herr Barceló?
Gabriel Barceló: Nein, eigentlich nicht. Im Gegenteil. Ich
habe immer eine gute Meinung von den Leuten. Manchmal müssen mich
andere sogar warnen, wenn ich jemandem zu sehr vertraue.
MM: Politiker sind da bei Ihnen eine Ausnahme?
Barceló: Nein. Unter Politikern gibt es wie in jedem anderen
Bereich sehr ehrenhafte Personen, die sich dem Gemeinwohl widmen –
und es gibt die dreisten.
MM: Welches ist das Bild, das Mallorcas Politiker
abgeben?
Barceló: Leider kein besonders gutes. Wegen einiger
schwarzer Schafe wird der Eindruck erweckt, dass sich die Politiker
nur um ihre eigenen, egoistischen Interessen scheren. Dieses Bild
entspricht aber nicht der Wahrheit.
MM: Gibt es auf Mallorca eine besondere Tendenz zur
Korruption?
Barceló: An allen Orten, an denen mit Immobilien spekuliert
wird, wo viel gebaut wird und wo es obendrein viel Tourismus gibt,
finden sich Fälle von Korruption. Betroffen sind alle Gegenden, in
denen es Spekulation mit Grundstücken, Brachflächen oder
Urbanisationen gibt. Das ist zwar nicht die einzige Art von
Korruption, aber die verbreitetste.
MM: Was sind die Ursachen für diese Art Korruption?
Barceló: Einerseits wird Druck auf die Politiker ausgeübt
durch Leute, die mit der Immobilien-Spekulation Geld verdienen
wollen. Andererseits gibt es eben Menschen, die der Versuchung
allzu leicht erliegen, schnelles Geld zu machen.
MM: Dass Mallorca eine kleine Insel ist, dass sich hier
jeder kennt und duzt – ist das ein Klima, in dem es schwerfällt,
Nein zu sagen?
Barceló: Nein. Wenn es Korruption nur auf Mallorca gäbe,
würde ich zustimmen. Das ist aber nicht so.
MM: Ist der Eindruck falsch, dass auf Mallorca vieles
über Beziehungen geregelt wird?
Barceló: Nein, oft läuft es so und ich glaube, dass es Leute
gibt, die das auch gehörig ausnutzen. Wenn ich von jemandem um
einen Gefallen gebeten werde, dann sage ich ihm wie jedem anderen:
,Ich sehe, was ich tun kann. Wenn ich aber irgendetwas Illegales
dafür tun muss, dann frag' mich gar nicht erst.' So sollte das
jeder handhaben.
MM: Was verdienen Sie eigentlich als
Fraktionssprecher?
Barceló: Da muss ich überlegen. Rund 70.000 Euro brutto im
Jahr.
MM: Verdienen Mallorcas Politiker zu wenig?
Barceló: Ich würde nicht sagen, dass die Gehälter zu niedrig
sind. Es kommt darauf an, womit wir vergleichen. Es gibt Politiker,
die für ihr Geld sehr viel tun, und es gibt Politiker, die für ihr
Geld wenig tun. Im Vergleich dazu, was in einem großen Unternehmen
gezahlt wird, verdienen Politiker wenig. Im Vergleich zu einem
einfachen Arbeiter verdienen Politiker viel.
MM: Niedrige Politiker-Gehälter können dazu beitragen,
dass ein Politiker ein unanständiges Angebot akzeptiert.
Barceló: Nein. Die Habsucht bestimmter Menschen endet auch
nicht mit einem noch höheren Gehalt. Aber ich betone noch einmal:
Es handelt sich um Einzelfälle. Nicht alle sind raffgierig.
MM: Was wollen Sie nun mit Ihrem Vorschlag erreichen?
Barceló: Dass klar wird, wer in die Kasse gegriffen hat.
MM: Es gibt Kritik: Manche sagen, Ihr Vorschlag stelle alle
Politiker unter Generalverdacht.
Barceló: Das spanische Parlament hat im Jahr 2007 einen ganz
ähnlichen Beschluss verabschiedet. Das Thema wird also auch
anderswo diskutiert. Ich sehe keinen Grund, nicht auch auf den
Balearen etwas Ähnliches zu tun.
MM: Steuervergehen verjähren aber nach vier Jahren. Sie
fordern dagegen, die letzten zehn Jahre zu untersuchen. Wie soll
das gehen?
Barceló: Erstens: Ich will gar nicht über die genaue Anzahl
Jahre diskutieren. Wenn nur vier Jahre untersucht werden können,
dann eben nur vier. Zweitens: Es geht nicht nur um Steuervergehen,
sondern auch um andere Straftaten, die ganz unterschiedliche
Verjährungsfristen haben.
MM: Wie viele Skandale schlummern da noch?
Barceló: Das weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass es mehr
Fälle von Betrug und Korruption gab. Die Hinweise wurden der
Staatsanwaltschaft übergeben.
MM: Sollten tatsächlich die vergangenen zehn Jahre
durchleuchtet werden, kämen auch Ihre jetzigen Partner auf den
Prüfstand. Sind Sie bereit, die Koalition zu riskieren?
Barceló: Die Transparenz muss für alle gelten. Wenn wir von
der „Regierung Matas” fordern, dass sie politische Verantwortung
übernimmt, dann müssen wir das auch von allen anderen Parteien
fordern.
MM: Was erwarten Sie von Ex-Ministerpräsident Jaume
Matas?
Barceló: Herr Matas hätte sich sehr viel früher äußern
müssen zu dem ganzen Thema. Er hätte ein paar Erklärungen geben
müssen. Man darf nicht vergessen: All diese Skandale sind von
Leuten ausgelöst worden, die das Vertrauen des Ministerpräsidenten
genossen.
MM: Ihr Vorschlag ist in die Vergangenheit gerichtet. Wie
wollen Sie denn ähnliche Fälle in Zukunft verhindern?
Barceló: Wenn wir untersuchen, was in der Vergangenheit
schief gelaufen ist, ist das ein klares Zeichen an alle, die sich
in Zukunft ähnlichen Versuchungen ausgesetzt sehen könnten.
Außerdem glaube ich, dass wir unbedingt eine ethische
Selbstverpflichtung aller Politiker brauchen, deren Einhaltung
streng kontrolliert wird. Ich glaube aber, dass es immer mal wieder
einen Fall von Korruption geben wird. Es gibt immer Einzelne, die
schwach sind, die ihrem Amt nicht gewachsen sind, oder nur in die
Politik gehen, um Missbrauch zu treiben.
Die Fragen stellte Jonas Martiny
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