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Etwa zwei Wochen lang war sie die berühmteste Obdachlose Spaniens: Nachdem eine Lokalzeitung die Deutsche ("Nennen Sie mich einfach Birgit P.") auf Palmas Airport aufgestöbert hatte, war eine regelrechte Medienlawine abgegangen: Zahlreiche deutsche Print- und Internetzeitungen berichteten über den "Fall", dem ein Hauch Hollywood anhaftet: Der "Terminal" war schließlich eine spannende Kulisse für die Herz-Schmerz-Geschichte mit Tom Hanks als Staatenloser, der mehrere Jahre auf einem US-Airport verbringen muss. Auch das Mallorca Magazin besuchte die 48-Jährige, die ihre Habe mitsamt ihrem Kater Mumus seit Jahren durch Son Sant Joan schiebt (MM32).

Inzwischen hat sich der Rummel um die zierliche Frau gelegt. Und Birgit P. sitzt immer noch jeden Tag in den Flughafencafés, sie wäscht sich immer noch in den Flughafen-WCs und nächtigt immer noch auf den Bänken der Ankunftshalle. Eine Frau, ohne Dach über dem Kopf und - was noch schlimmer ist - ohne Hoffnung darauf, dass sich an ihrer Situation jemals etwas ändern wird. "Der ganze Medienrummel hat mir nichts gebracht", sagt sie bitter. "Nur einmal hat mir eine Reporterin ein wenig Geld zugesteckt."

Besonders schlecht ist Birgit P. auf das deutsche Konsulat in Palma zu sprechen. "Der Konsul hat in den Medien gesagt, er würde mir helfen, aber dann bin ich gar nicht zu ihm durchgekommen und wurde einfach dort weggeschickt, als ich einen Ausweis beantragen wollte", schildert sie. Ohne Ausweis könne sie nicht einmal nach Ibiza reisen, um einen Bekannten zu besuchen. Sie will partout nicht einsehen, dass sie für einen neues Dokument gewisse Formalitäten erfüllen muss: "Man wollte einen Lebendbeweis von mir. Aber ich brauche so ein Papier nicht", ist sie überzeugt.

Konsul Wolfgang Wiesner kann sich daran erinnern, dass Birgit P. vor einigen Wochen ohne Termin im Konsulat erschienen war, allerdings ohne sich zu erkennen zu geben. Eine Mitarbeiterin habe sie gebeten, zu einem späteren Moment wiederzukommen, um die Passangelegenheit in Ruhe zu besprechen. Wiesner versichert, dass Birgit P. lediglich bei der Flughafenpolizei ihren Ausweis als gestohlen melden muss. Mit dem Papier und zwei Passfotos ließe sich die Angelegenheit regeln.

"Der Konsul soll zu mir in den Airport kommen", fordert die Obdachlose mit einer Mischung aus Trotz und Verzweiflung. Nochmal könne sie die Fahrt zum Konsulat nicht machen: "Ich weiß ja gar nicht, was ich in der Zeit mit meinen Sachen machen soll." Selbst wenn er wollte, könnte der Konsul ihr diesen Wunsch nicht erfüllen: "Das geht schon alleine aus technischen Gründen nicht", sagt Wiesner.

Für jemanden, der nicht einmal das kleinste Hindernis bewältigen kann, muss der Traum von einer neuen Arbeit und einem kleinen Apartment völlig unerreichbar scheinen. Und so richtet sich die frühere Zoll-Sachbearbeiterin, die ihre Arbeit verloren hatte, nachdem durch das Schengener Abkommen die Grenzkontrollen wegfielen, in ihrer ausweglosen Situation ein, so gut sie eben kann. "Nach Deutschland kann ich wegen meiner Hautkrankheit nicht zurück", sagt sie. Auch wolle sie ihrer Familie nicht zur Last fallen. Von Behörden würde sie Hilfe erwarten - aber von denen fühlt sie sich im Stich gelassen.

Abgesehen vom Klima hat ihr auch die Insel immer weniger zu bieten. In den ersten Jahren sei es noch einfacher gewesen, hier und da einen Job als Kellnerin, als Altenpflegerin und sonstwo als Aushilfe zu bekommen. "Aber inzwischen gibt es hier keine Arbeit mehr", sagt sie, "und dabei wird immer alles teurer." Selbst die Aussicht auf eine kleine Erbschaft scheint ihr keine Perspektive für ein besseres Leben zu ermöglichen.

Solange sie nicht unangenehm auffällt, solange sie nicht durchdreht, nicht sterbenskrank wird oder kriminiell, wird sich Birgit P. wohl auch in Zukunft möglichst unauffällig unter die Reisenden am Airport mischen. Man muss schon genau hinschauen, um zu erkennen, dass sie hier nicht zu denen gehört, die kommen und gehen. Wenn die anderen aufstehen, bleibt Birgit P. einfach sitzen und wartet weiter.