Normalerweise veröffentlicht Sofia Kohmann, Tierärztin in der
Eurotierklinik in Arenal, jede Woche eine Kolumne mit Tipps und
Infos aus ihrer Tierarztpraxis im Mallorca Magazin. Diese
Woche wurde die Kolumne aus aktuellem Anlass verschoben. Der „Fall”
des Patienten, den die Tierärztin letzte Woche behandeln musste,
ist so ungeheuerlich, dass Sofia Kohmann ihn an dieser Stelle
schildert:
„Es geht um einen sehr speziellen Fall der Tiermisshandlung. Ich
habe diesbezüglich schon viel gesehen und erlebt und auch auf
Mallorca stößt man auf viel Tierelend. Aber in den meisten Fällen
handelt es sich um Vernachlässigung der Tiere, um Fahrlässigkeit in
Bezug auf die Haltung beziehungsweise die Schlachtung oder einfach
um mangelnde oder nicht vorhandene Sensibilität gegenüber der
Kreatur. Dieser Fall jedoch liegt anders und er erschreckt
mich.
Uns wurde eine Katze gebracht, die im Nebengebäude eines Hauses
schreiend aufgefunden wurde. Das Tier war bei Bewusstsein und
suchte Schutz, war aber leicht taumelnd und offensichtlich krank.
Bei näherem Hinsehen meinte man, der Kopf des Kätzchens sei mit
Metallnieten gespickt. Das Röntgenbild brachte Erstaunliches
zutage. Im Kopf dieser bedauernswerten Kreatur steckten sage und
schreibe sieben (!) Diabologeschosse!
Das will ich kurz erläutern. Sogenannte Diabologeschosse werden
aus Luftgewehren abgefeuert. Luftgewehre sind Waffen, die ein
Geschoss nicht durch Explosion einer Treibladung antreiben, wie das
bei Feuerwaffen der Fall ist, sondern durch die Ausdehnung von
komprimiertem Gas. Das heißt, Luftgewehre haben im Vergleich eine
sehr geringe Leistung und sind weder militärisch noch jagdlich
brauchbar. Sie werden als Sportgeräte eingesetzt, da sie geringe
Betriebskosten haben und zur Übung der Schießfertigkeit gut genutzt
werden können. Nach jedem Schuss muss die Waffe neu geladen und neu
gespannt werden, um ein weiteres Geschoss abfeuern zu können.
Im Falle des oben beschriebenen Patienten bedeutet das, dass
irgendjemand sieben Mal aus sehr geringer Distanz auf diesen
Katzenkopf gezielt haben muss. Ein Diabologeschoss kann einen
Katzenschädel nicht durchdringen. Es hat aber – aus geringer
Entfernung abgefeuert – durchaus die Kraft, durch die weiche
Hornhaut des Auges in den Kopf einzudringen. Auch das war bei
unserem Opfer der Fall. Eine Kugel durchstieß das linke Auge, eine
andere die Weichteile im Ohr. Ein achtes Geschoss konnten wir frei
im Bauchraum schwimmend isolieren.
Da jedes Tier der Welt mit aller Kraft versuchen würde, diesem
Schmerz zu entfliehen, muss davon ausgegangen werden, dass der Kopf
des Tiers fest fixiert wurde, um ein Ausweichen zu verhindern.
Darauf deuteten auch Schürfwunden im Kopf- und Halsbereich hin.
Irgendwer – und ich hoffe für uns alle, dass es nicht Kinder
waren, sondern irgendein extremer Einzelfall – muss also geraume
Zeit vor der festgeklemmten, schreienden und sich mit aller
verbliebenen Kraft windenden Katze gestanden und aus geringer
Entfernung mit großer Zielfertigkeit acht Mal auf deren Kopf
geschossen haben.
Unser Patient ist verstorben und vielleicht war das sogar besser
so. Aber dieser Fall sollte uns alle wach rütteln und wieder dafür
empfänglich machen, was um uns herum passiert. Es fängt an mit dem
Verbrechen am Tier, aber wohin kann so ein Weg noch führen?”
Die Autorin ist Tierärztin an der Eurotierklinik in Arenal.
E-Mail: sofia@eurotierklinik.es
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