Sollte einem Mallorquiner wie im Sprichwort
das Messer in der Hose aufgehen, dann wird es sich
höchstwahrscheinlich um ein „Trinxet” handeln. Denn in den Dörfern
soll es so gut wie keinen einzigen Bauern, Winzer, Hirten,
Hühnerzüchter oder Jäger geben, der nicht ohne das krummdolchartige
Klappmesser unterwegs ist. Die archaisch anmutende Klinge –
„Trinschet” ausgesprochen – findet auf der Insel so vielseitige
Verwendung, wie dies anderswo allerhöchstens mit einem Original
Schweizer Taschenmesser zu bewerkstelligen wäre.
„Ich kenne Menschen, die können ohne ein Trinxet nicht einmal
Brot und Wurst schneiden”, sagt Joan Campins. Der 44-Jährige ist
einer der wenigen Messerproduzenten auf Mallorca, die das alte
Handwerk der gezückten Halbmond-Klinge noch beherrschen. Eine Wahl,
dieser Familientradition zu entgehen, hatte Campins kaum. Er stellt
die fünfte oder sechste Generation, die diesen Beruf ausübt – so
genau weiß es nicht einmal er. Und wie seine Vorfahren hat auch er
schon als kleiner Junge mithelfen müssen. „Damals stand ich am
Blasebalg und fachte die Glut an.” Die Schmiede befindet sich in
Consell. Das Dorf im Inselinnern galt schon immer als das Zentrum
der Messerproduktion.
Vor zwei Jahren war Joan Campins in Albacete, Spaniens
traditionsreichem Hort der Messerschleifer, und besuchte das
dortige Museum. „Dann fragten sie mich, wie ich es fand. Und ich
sagte: Die Geräte in meiner Werkstatt sind noch viel älter als das,
was ihr hier ausstellt.”
Tatsächlich ist die hölzerne Werkbank schon so angeschlagen und
wurmstichig, dass sie noch aus jenen Zeiten zu stammen scheint, als
König Jaume die Insel von den Mauren zurückeroberte.
Doch zünftiges Handwerk ist zeitlos, auch wenn mittlerweile
elektrischer Strom den alten Schleifstein antreibt. Noch in den
Tagen von Joan Campins´ Vater hielt ein im Kreise laufender Esel
die schwere Scheibe am Rotieren.
Mit wuchtigen Schlägen, die einem das Trommelfell metallisch zum
Klingen bringen, hämmert Campins aus einem rostigen Eisenblech,
drei Millimeter stark, eine rohe Form des sichelförmigen
Messerblattes heraus. Es dauert etwa zehn Minuten, bis der
keilartige Meißel das Metallstück aus dem Blech herausgetrennt hat.
Ein Fitnessstudio hat der Messerschmied nicht nötig. Der Job hält
den Bizeps prall.
In der Esse mit Kohlenfeuer hält Joan Campins das Eisen glühend,
unter zahllosen Schlägen auf dem Amboss hämmert er die Klinge dünn,
bis sich eine hauchfeine Messerschneide herausbildet. „Das wird
hier alles per Hand und Augenmaß gemacht. Ich habe kein Thermometer
oder so etwas”, erläutert Campins seine Arbeitsweise. Wenn die
Klinge fertiggehämmert ist, wird sie rußig-schwarz statt rotglühend
– also nicht zu heiß, nicht zu kalt – gehärtet. Dazu hält sie
Campins eine Minute lang in ein Schälchen mit – wie kann es auf
Mallorca anders sein – Olivenöl. Der beißende Geruch von Kohlenglut
und Qualm zeigt an: Hier entsteht ein wahrhaft ureigenes
Inselprodukt.
Die weiteren Schritte sind Routine: Schleifen, Polieren, dann
wird das Messer in den Griff eingepasst. Er ist meist aus Orangen-
oder Olivenholz gefertigt. Ein Dutzend Messer kann Campins in zwei
Tagen herstellen.
Natürlich kann der Mallorquiner von den Messern alleine nicht
leben. Sie kosten je nach Größe zehn bis 18 Euro. Darum betreibt er
nebenbei eine Eisenwarenhandlung mit Zubehör für die Landwirtschaft
(Consell, Carrer Alcúdia 75).
Von seinen beiden Söhnen, 14 und 18, hat bislang keiner rechte
Lust gezeigt, ihm zu folgen. Doch Joan Campins ist nicht verzagt.
„Vielleicht ist das ja was für meinen dritten Jungen, der im Herbst
auf die Welt kommt.”
Ein guter Schmied sollte eben immer mehrere Eisen im Feuer
haben.
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