Siegessicher schwenkt der deutsche Fan tanzend eine goldene
Plastiktrophäe über seinem Kopf. "Wir holen den Pokal", grölt er,
und die Masse um ihn herum stimmt ein. Augenblick verweile doch, du
bist so schön! Nach zwölf Jahren stand Deutschland das erste Mal
wieder im Viertelfinale einer EM. Die Fans stehen auf den Tischen,
ein Meer aus Weiß und Schwarz, Rot und Gold. Der Sieg gegen
Österreich war verdient - aber knapp.
Doch angetrunken und im Freudentaumel scheint der Sieg so gut
wie in der Tasche: "Diese Euphorie hier ist total ansteckend,
seitdem ich das gesehen hab', weiß ich: Deutschland wird
Europameister!", schreit Joachim aus Minden heiser gegen die
Schlachtrufe an. Sieben Stunden schon feiert er vor der
Großleinwand, von Müdigkeit keine Spur.
So ansteckend ist die Feierlaune der Deutschen, dass selbst
viele Verlierer nicht anders können, als mitzumachen. "Hey, ihr
seid draußen!", schüttelt Stephan aus Hannover den in eine
rot-weiße Fahne gewickelten Peter aus Salzburg. Der ist, von der
Niederlage unbeirrt, neben den deutschen Fans auf die Bänke
gestiegen. Aber Peter lacht nur. "Klar sind wir enttäuscht. Aber
was solls?!", meint eine Österreicherin neben ihm. "Zumindest haben
wir uns gut geschlagen".
Geteiltes Leid: Anstatt sich nach ihrem EM-Ausscheiden auf der
Stelle zu verziehen, blieben viele der österreichischen Fans, die
sich in kleinen Grüppchen zusammengeschweißt hatten, noch
beieinander, gönnten sich auf den Schrecken erst noch mal ein Bier.
"Wir lassen uns die Stimmung nicht verderben. Dazu sind wir
mittlerweile viel zu gut im Verlieren", lacht Anita aus
Oberösterreich "Ihr habt gegen Portugal eh keine Chance. Ihr habt
jetzt gut lachen, aber wartet nur, ihr seid auch bald dran!"
Auch Katrin, Magda, Angelika und Doris aus der Gegend zwischen
Linz und Salzburg feiern nach der Partie trotz der Niederlage
weiter. Vor dem Spiel waren die vier jungen Frauen noch
optimistisch gewesen: "Wir gewinnen, weil wir haben nix zu
verlieren!" Das Unwort "Cordoba" macht die Runde. Mancher
Österreicher scheint gar übermütig: "Haushoch" werde man das Spiel
für sich entscheiden. "Dass ihr euch überhaupt hierher traut?!",
scherzt die Salzburgerin Julia über ein paar deutsche Fans, die
sich an einen Tisch gestellt haben, direkt neben der kleinen
rot-weißen Minderheit, die sich im Obergeschoss des Mega-In zum
Public-Viewing verschanzt hat. Und ihre Freundinnen necken
lautstark mit dem kecken Schlachtruf: "Deutschland, wir hören
nichts!"
Katrin, Magda, Angelika und Doris sehen es positiv: "Wenn wir
nicht gewinnen, sind wir die Europameister der Herzen!" Obwohl sie
bei der frühzeitigen Buchung ihres Mallorca-Urlaubs nicht bedacht
hatten, dass die Europameisterschaft zur gleichen Zeit im eigenen
Land stattfindet, bedauern sie nicht, die EM aus der Ferne von der
Playa aus zu verfolgen: "Hier ist es auch toll!" Eines haben sie
jedoch auszusetzen: "Wir werden hier total diskriminiert, denn es
gibt keine Österreich-Fahnen auf Mallorca zu kaufen." Ihre
Fan-Utensilien haben sie voraussehend aus der Heimat
mitgebracht.
Solche Probleme haben die deutschen Fußball-Anhänger nicht: Ein
Überangebot an schwarz-rot-goldenen Kostümierungen, Perücken,
Hüten, Fahnen und sogar Brillen mit entsprechend farbigen Gläsern
gibt es in jedem zweiten Laden an der Playa zu kaufen. Manche Fans
verfolgen das Spiel also im wahrsten Sinne des Wortes durch die
schwarz-rot-goldene Brille. Überhaupt ist man wie schon bei der WM
2006 froh, diese Farben wieder "völlig unverkrampft tragen zu
dürfen", wie Annika aus Detmold erwähnt. Eine Angst aber schwingt
bei all dem Jubel mit: Die Fan-Artikel am Donnerstagabend wieder in
Koffer und Schrank packen und den dreifarbigen Schminkstift bis zu
Südafrika einmotten zu müssen. Ob die Deutschen das Ausscheiden
ihrer Mannschaft ebenso locker wegfeiern würden wie die
Österreicher? Von einer Niederlage will keiner hören. "Wir spielen
zwar schlecht", ruft Joachim aus Minden, "aber wir werden Meister:
Wir müssen nur dran glauben!"
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