Am 16. Januar haben die 15 Männer zwischen 17
und 50 Jahren ihren großen Tag, darf sich all der Übermut, der sich
im letzten Jahr in ihnen angestaut hat, in einer wilden, neckischen
Teufelei entladen. An Sant Antoni gehört das Dorf ihnen: Ab 15 Uhr
nachmittags tollen sie durch die Straßen, um 19.15 empfangen sie
die Politiker vor dem Rathaus, dann geht es in die Kirche,
abschließend tanzen sie auf dem Kirch- und dem Marktplatz zweimal.
„Und noch einmal von vorne, Jungs”, treibt Manolo Sanchez sie an –
seines Zeichens der Oberteufel von Sa Pobla.
Es ist eine ihrer abendlichen Übungsstunden. Vom Sant-Antoni-Flair
ist in dem kalten kahlen Schulraum noch nichts zu spüren, aber das
stört die Teufeln nicht: In ihnen brennt das Feuer der
Begeisterung. Noch in zivil tanzen sie ihm Kreis – die Maske, aus
Metall oder Pappmaschee – und ihre Kluft werfen sie nur zum Festtag
über, in der Hand halten sie einen Bambusstecken: Er dient als
Dreizack-Ersatz.
In der Mitte des Ringelrei, das von kastagnettenklappernden und
die „Ximbomba”-stoßenden, singenden Frauen begleitet wird, dreht
sich der freche Manolo um den Heiligen, ärgert und piesackt ihn,
macht ihm eine lange Nase. Immer wieder üben die Männer – dabei
scheint der Ablauf so einfach wie bei einem Kindergartenreigen. „Oh
nein”, sagt Manolo später mit gespielter Entrüstung, „das sieht nur
so leicht aus! Wir müssen uns exakt abstimmen, das Zusammenspiel
mit unseren Musikantinnen muss perfekt sein – sonst kommen wir bei
dem Getöse vor dem Rathaus aus dem Takt.” Wahrlich ist Sant Antoni
kein Fest für sehr lärmempfindliche Ohren: Kinder schwingen
ohrenbetäubende Rasseln, Lautsprecher übertragen das
markdurchdringende Röhren Hunderter „Ximbombas” – ein Geräusch, das
bedrohlich, gespenstisch klingt, den Zuhörer erschaudern lässt.
Ob es aber wirklich der Perfektionismus ist, der die Männer zur
Übungsstunde treibt? Viel wahrscheinlicher ist, dass sie es einfach
kaum mehr erwarten können bis zum großen Tag und Teufel einfach
gerne unter sich sind. Die Sant-Antoni-Leidenschaft kann wohl nur
verstehen, wer damit aufgewachsen ist: Die historische Tradition um
den Kampf zwischen Teufel und Heiligem ist tief im Herzen der
Poblers verankert – das ganze Jahr über fiebert man dem 16. Januar
entgegen.
Das Sant-Antoni-Museum, in dem die Teufelsmasken und
Schrumpfköpfe, die bunten „Cabezudos”, die ebenfalls fest ins
Programm gehören, aufbewahrt werden, ist ein beliebtes Ziel für
Groß und Klein beim Spaziergang durchs Dorf. Und schon die
Kleinsten können die Melodie des Liedes summen, zu dem die Teufel
ihre Kreise um den Heiligen ziehen.
Teufel sein ist aber nicht nur eine Freude – es ist vor allem
eine Ehre. In die nicht jeder kommt: Bis zu diesem Jahr konnte nur
Teufel werden, wer das Amt von einem Familienangehörigen, meist dem
Vater, „vererbt” bekam, oder von Mitgliedern des Teufelverbandes
aus einer langen Warteliste auserwählt wurde. Dieses Jahr sind zum
ersten Mal auch drei Teufel dabei, die von der Gemeindeverwaltung
verlost wurden. „Ich war acht Jahre auf der Warteliste”, erzählt
Tomeu, „konnte es gar nicht fassen, endlich mitmachen zu dürfen.
Teufel zu sein, das war schon ein Kindheitstraum!” Aber bevor man
Teufel wird, muss man im ersten Jahr Heiliger Antonius spielen:
Diese Rolle gilt als „Schwarzer Peter” – schließlich muss sich ein
Heiliger benehmen, darf sich kaum Gags erlauben. „Und genau die
machen ja die Gaudi aus”, sagt Manolo lachend. „Wenn man in die
Teufelskluft steigt, dann ist es, als würdest du eine andere Welt
betreten. Und es ist interessant – obwohl die Leute dich ja kennen,
wissen, wer hinter der Maske steckt: Wenn du dann auf sie zubraust,
ist ihnen plötzlich nichts mehr geheuer, schrecken sie zurück.”
Seit 25 Jahren trägt er die älteste Teufelsmaske des Verbandes – 55
teuflische Nächte hat sie miterlebt, mindestens ebenso oft musste
ihre Pappe geflickt werden. Manolos Figur ist der Liebling der
Kinder. „Congito, Congito” schreien sie ihm hinterher, geben ihm
den Namen der beliebten spanischen schwarzbraunen Schokodrops,
wegen der dunklen Farbe seiner Maske. „Der Schwarze treibt es am
buntesten von allen”, sagt Manolo mit einem schelmischen Blick.
„Ich bin immer so zappelig am Scherzen, mal hier, mal da, am Ende
bin ich auf den wenigsten Fotos zu sehen, weil ich immer wo anders
rumturne”, erzählt er. „Aber ein Teufel muss eben einfach ein
Witzbold sein – sonst ist es keiner.”j
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