Mallorca - Die Testesserin im weißen Kittel kann keine Ensaïmada
mehr sehen. „Auf den Frühstückstisch kommt die bei mir nicht mehr”,
sagt die junge Frau. Schließlich muss sie von Berufs wegen Unmengen
des fettigen Schmalzgebäcks verdrücken. „Das hat mir den Genuss
vermiest.” Sechs Kontrolleure des „Regulierungs-Rats der Ensaïmada”
haben sich an diesem Vormittag versammelt und fachsimpeln über die
rechte Beschaffenheit des kulinarischen Kulturguts aus Mallorca.
„Bei diesem Exemplar ist der Boden doch ein wenig zu schmierig, wie
mir scheint”, sagt Toni Piña. Mit strengem Blick mustert er das
Gebäck, drückt, riecht und schiebt sich schließlich ein Stück davon
in den Mund.
Die Regulierungsbehörde der Ensaïmada ist mit keinem geringeren
Ziel angetreten, als der Rettung der mallorquinischsten aller
Backwaren. Mittlerweile erdreisten sich gar Bäcker auf dem
Festland, die süßen Schnecken nachzubacken. „Das darf nicht sein”,
sagt Asunción Riobó, Chefin des Kontrollrats und erfahrene
Ensaïmada-Testerin. „Eine echte Ensaïmada kann nur von hier kommen.
Temperatur, Luftfeuchtigkeit, das ganze Klima hat Auswirkungen auf
den Herstellungsprozess.”
Also vergibt der Kontrollrat ein Gütesiegel, damit schmücken
dürfen sich bisher nicht mehr als 48 Bäckereien auf der Insel.
Allerdings erst, nachdem sie die strengen Prüfungen überstanden
haben. Ein ganzes Handbuch haben die Experten mit peniblen
Vorschriften gefüllt, wie eine Ensaïmada zu sein hat, begleitet von
Fotos geglückter und misslungener Backversuche. „Unsere Testesser
sollen nicht sagen, ob es ihnen schmeckt, oder nicht. Sie sollen
prüfen, ob die objektiven Kriterien erfüllt sind.”
35 Fragen müssen Piña und Kollegen beantworten, und da es
auf Anhieb nicht leicht fällt, den Unterschied zwischen
„elfenbeinfarben” und „gelblich” zu erkennen, werden alle Prüfer
erst einmal gründlich geschult. „Mit der Zeit erkennt man sehr
leicht, ob etwas sehr, mittel oder wenig intensiv riecht”, sagt
Piña. Zumal die Prüfer nicht ohne geschärfte Sinne antreten: Die
meisten sind Köche oder Bäcker.
Aber auch der erfahrenste Testesser hat seine Grenzen. Ob etwa
der Schweineschmalz-Anteil über der Obergrenze von 45 Prozent
liegt, lässt sich nur mittels chemischer Analyse ermitteln. So
kommt es auch, dass die Ensaïmada nun zum Forschungsobjekt wird:
Der Kontrollrat arbeitet mit der Fakultät für Chemie der
Balearen-Universität zusammen. Ziel ist ein neues Verfahren zur
Haltbarmachung des in der typischen Pappschachtel bisher
allzuleicht austrocknenden Gebäcks. Abhilfe sollen Plastikfolie und
ein Stickstoff-Kohlendioxid-Gemisch schaffen. Welche Auswirkungen
diese Verpackung auf den Geschmack der Ensaïmadas hat, müssen die
Testesser jedoch erst herausfinden.
Klar ist, dass die Haltbarkeit auf bis zu drei Wochen steigen
soll. Bisher bleiben die normalen Ensaïmadas laut Asunción Riobó
gerade einmal drei bis vier Tage frisch, die mit Kürbis-Marmelade
gefüllten auch nur wenig länger. Zum Leidwesen der Bäcker, die
gerne das Exportgeschäft ankurbeln würden. Rund 320.000 Ensaïmadas
mit Gütesiegel sind laut Kontrollrat im vergangenen Jahr verkauft
worden, 90 Prozent davon ins Ausland. Während bisher die meisten
als Mitbringsel aus dem Mallorca-Urlaub gedient haben dürften, soll
die neue Verpackung den Export, die Lagerung und den Verkauf direkt
auf dem Festland ermöglichen. Eines aber ist auch klar: Die meisten
Ensaïmadas werden noch immer auf Mallorca verzehrt. Wie viele das
sind, weiß kein Mensch. Denn das Gü- tesiegel haben die
allermeisten Bäckereien nicht.
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