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Dass man auf Mallorca weit mehr unternehmen kann, als sich an der Partymeile an der Playa de Palma die Kante zu geben, hat sich längst herumgesprochen. Vor allem bei jenen, die in ihrer Freizeit das Naturerlebnis dem Discoflirt vorziehen. Seit Jahren erlebt die Insel während der kühleren Jahreshälfte einen regelrechten Ansturm von Wanderern oder Trekkingurlaubern, die mit Luis Trenker nur eines gemeinsam haben: Auch sie hören den Berg rufen.

Und das Echo der 46 über 1000 Meter hohen Gipfel ist selbst in Deutschland noch deutlich zu hören. Bei keinem europäischen Wandervolk ist die Insel so beliebt wie bei den Alemanes. Mit Führer oder individuell: Mallorca bietet alle Schwierigkeitsgrade. Vom ausgedehnten Spaziergang bis zur Klettertour. Und die touristische Infrastruktur richtet sich zunehmend auf eine Klientel ein, die dem altbackenen Knickerbocker-Image entwachsen ist. Wandern liegt im Trend und ist auch bei Menschen deutlich unterhalb des Rentenalters in. Das wissen nicht nur die Outdoor– und Globetrotter-Läden, die die Naturfreaks mit zeitgemäßer Kleidung ausrüsten.

Auch wenn der mallorquinische Hotelverband keine spezielle Statistik über wandernde Hotelgäste führt, wird seitens der Hoteliers kein Hehl daraus gemacht, dass ohne die naturhungrige Kundschaft so manche Herberge nicht über die flauen Wintermonate kommen würde. Immer mehr Herbergen schneiden ihr Angebot inzwischen sogar speziell auf die Wanderer zu.

Wandern hat sich nicht erst seit gestern zum Breitensport gemausert, das wissen auch zahlreiche Reiseveranstalter. Frauenwandern, Gourmetwandern, Singlewandern, Wandern mit Kindern, Pilgerwandern, Fastenwandern, Segeln und Wandern, Trommeln und Wandern ...: Das Angebot ist so vielschichtig wie der Kundenkreis. Die allermeisten Naturfreaks schnüren aber ihre Stiefel selbst und bevorzugen das Individualwandern.

Wie viele Wanderwege es auf Mallorca gibt, vermag niemand zu sagen. Etwa 300 Wegkilometer sind inzwischen von den Forstbrigaden des mallorquinischen Inselrats ausgeschildert. Nahezu täglich werden es mehr. Neue Routen werden ausgearbeitet, historische wiederentdeckt und restauriert.

Wanderer sind leidensfähig, nicht nur was heftige Aufstiege anbelangt. Trotz immer wieder versperrter Pfade und mitunter zu entrichtendem Wegezoll – 80 Prozent der Insel befinden sich in privatem Besitz – ist ihre Freude an Berg und Tal ungebrochen.

Auch werden immer mehr Regionen von der Balearen-Regierung unter Naturschutz gestellt, um weitere Eingriffe in die einzigartige Landschaft zu unterbinden. Das klingt in manch Wandererohr wie Balsam, ist es aber nicht unbedingt. Erst vergangene Woche wurde ein kleiner Teil des Tramuntana-Gebirges nicht nur vor einer denkbaren Bebauung, sondern auch vor den Wanderern geschützt. Diverse Strecken sind damit selbst zu Fuß tabu. Ob der Aufschrei der rund 1500 in mallorquinischen Wanderverbänden organisierten Mitglieder daran etwas ändern wird, bleibt fraglich.

„Von allen Dingen, die ich je in meinem Leben getan habe, war Wandern am schönsten”, hat der englische Schriftsteller und Deià-Resident Robert Graves einmal gesagt. Wie viele Zugereiste und Einheimische seine Passion teilen und den Rucksack schultern, vermag niemand genau zu sagen. Ob es denn nun wirklich das Schönste ist, was einem wiederfahren kann, ist umstritten. Dass es ein Erlebnis der Extraklasse ist, nicht.