Sie ist in diesem Jahr etwas früher aufgetaucht als
üblicherweise: Die gelbe Knollenqualle (Cotylorhiza tuberculata),
besser als Spiegeleiqualle bekannt, wird seit Mitte August vermehrt
im Balearen-Gewässer gesichtet. Normalerweise kündigt das
Erscheinen der für Menschen harmlosen Quallenart im September das
Ende des Hochsommers an, und, für Badende erfreulich, damit auch
das allmähliche Verschwinden der ätzenden braun-rötlichen
Leuchtqualle (Pelagia noctiluca).
Meldungen über eine Quallenplage im Mittelmeer hatten bereits
zum Start der Badesaison für Verunsicherung unter Urlaubern und
sogar deutschen Medien gesorgt: Kaum eine Woche verging, in der
nicht irgendeine deutsche Zeitung nachfragte, wie es den nun mit
der Verseuchung des Badewassers um Mallorca aussehe. Zur
Enttäuschung manches Journalisten auf der Suche nach einer schönen
Schlagzeile für das Sommerloch blieb die große Quallenplage im
Badewasser um Mallorca aber aus. Lediglich in den vergangenen
Wochen kam es zu häufigeren Kontakten zwischen den giftigen
Glibbertieren und Menschen. „In diesem Sommer gab es sogar eher
weniger Quallen als in den vergangenen Jahren”, hat Antoni Garau,
technischer Mitarbeiter im Ministerium für Fischfang,
beobachtet.
Alles Panikmache also? Eindeutige, wissenschaftlich belegte
Aussagen zu diesem Thema gibt es bislang wenige. „Quallen haben
keinen ökonomischen Wert”, sagt Antoni Garau, daher war ihre
Erforschung bisher wenig attraktiv. Das könnte sich ändern, wenn
ihr massenhaftes Auftreten zum Killerfaktor für den Tourismus in
Spanien und anderen Urlaubsländern mutiert. „Natürlich sind wir
besorgt, was dieses Thema anbelangt”, heißt es in der Pressestelle
des Balearischen Tourismusministeriums, aber von Alarmstimmung
könne keine Rede sein. Bislang beschränke man sich auf
Präventionskampagnen, um Strandurlauber vor den Gefahren im Wasser
zu warnen. Von einer „Invasion” könne zum Glück derzeit keine Rede
sein.
Auf den Balearen wird im Gegensatz zu anderen spanischen
Küstenregionen nicht gezielt nach den Glibbertieren gefischt.
Murcia etwa hat in diesem Sommer sechs Boote eingesetzt, um die
Quallen aus dem Wasser zu fischen, bevor sie an den Stränden
angetrieben werden: Im Durchschnitt machten sie täglich eine
„Beute” von 31'4 Tonnen „medusas” und damit deutlich weniger als im
Vorjahr. Murcia hat in diesem Sommer für zusätzlichen Schutz für
Badegäste gesorgt, indem in Hauptbadegebieten Netze gespannt
wurden, um die Quallen abzuhalten. „Das Ministerium hat dazu
bereits zahlreiche Anfragen aus anderen Regionen erhalten”,
schreibt die Zeitung „La Verdad” in Murcia.
Auch Antoni Garau ist in Kontakt mit Wissenschaftlern in
Katalonien, sagt er, um sich über die neuesten Erkenntnisse auf dem
Laufenden zu halten. „Aus vielen anderen Plätzen der Welt, zum
Beispiel Namibia, ist bekannt, dass die Überfischung der Hochsee
Ursache für die explosionsartige Vermehrung von Quallen ist.”
Punktuelle Plagen habe es in den vergangenen Jahrzehnten immer
wieder gegeben, so Garau. Sein subjektiver Eindruck sei allerdings,
dass die Quallen seit einigen Jahren regelmäßiger in Massen
auftauchen.
Dass es weltweit immer häufiger zu Massenvermehrungen der
gallertartigen Tiere kommt, haben amerikanische Forscher in der
Juni-Ausgabe des Magazins National Geografic erklärt. Auch ihrer
Ansicht nach ist der Mensch schuld an der Quallen-Plage: Weil die
Gewässer seit Jahrzehnten mit Düngemitteln und Abwässern belastet
werden, habe das pflanzliche und tierische Plankton, wovon sich
Quallen ernähren, zugenommen. Quallen seien unersättliche Fresser,
die den Fischen die Nahrung streitig machen. Viel Plankton zehre
außerdem einen großen Teil des Sauerstoffs im Wasser auf: Fische
sterben, die anspruchslosen Quallen jedoch gedeihen. Folgerung:
Quallen können zu einem wachsenden Problem für die Meere werden,
ihre Rolle in der Ökologie der Ozeane wurde bisher
unterschätzt.
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