Am 11. September, 8.46 Uhr Ortszeit New York, erstarrte die Welt
in Angst und Schrecken. Die Maschine des Flugs American Airlines
AA11 schlug in den Nordturm des World Trade Centers (WTC) im Herzen
von Manhatten ein. Zuerst dachte man an einen tragischen Unfall. 17
Minuten später war klar, dass es sich um einen der ausgeklügelsten
Terroranschläge in der Geschichte der Menscheit gehandelt hatte.
Denn um 9.03 Uhr flog ein zweites Flugzeug (United Airlines 175) in
den Südturm des WTC. 9.37 Uhr stürzte sich ein weiteres
Selbstmordkommando mit einem Passagierflugzeug auf das Pentagon.
Ein vierter entführter Flieger erreichte sein Ziel nicht. Den
Vereinigten Staaten von Amerika wurde unmissverständlich von Al
Kaida der Krieg erklärt.
Fassungslos saßen viele hundert Millionen Menschen rund um den
Globus vor den Fernsehapparaten. Die meisten konnten nicht glauben,
was sie sahen. Aber dieses Mal war der Film blutige Realität. Knapp
3000 Menschen wurden von der Wucht der Explosionen in Stücke
gerissen oder unter den Trümmern der einstürzenden Türme begraben.
Einige sprangen vor den laufenden Kameras aus dem 90. Stock in den
sicheren Tod.
Für die Welt wurde mit den Anschlägen eine neue Zeitrechnung
eingeläutet: Vor oder nach dem 9/11.
Die beispiellosen Terroranschläge haben auch die Menschen auf
Mallorca mit Abscheu, Empörung und Angst erfüllt. Die Medien kamen
mit der Verbreitung der aktuellen Nachrichten auf der Insel kaum
nach. Zeitungen druckten Sonderausgaben. Radio und Fernsehen
berichteten ohne Unterbrechung. Manche Betriebe stellten ihre
Arbeit ein. Die Mitarbeiter waren zu sehr beängstigt. Die Sorge um
die Familie ging vor.
Auch die mallorquinischen Behörden waren nervös, die Stimmung
gereizt. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden binnen Minuten drastisch
verschärft. Vor der amerikanischen Vertretung in Palma zogen
schwerbewaffnete Polizisten auf. Passanten gedachten mit Blumen der
Opfer.
„Das ist eine große Tragödie für die USA und die Welt”, sagte
der Konsularagent der Vereinigten Staaten auf Mallorca, „Tumy”
Bestard, völlig fassungslos.
In einem Solidaritätstelegramm an die US-Botschaft in Madrid
bezeichnete der damalige balearische Ministerpräsident, Francesc
Antich, das Attentat als den „größten terroristischen Akt in der
Geschichte”.
Unmittelbar nach den Attentaten sagte der mallorquinische
Inselrat alle Feierlichkeiten anlässlich des Gedenktages „Diada de
Mallorca”, der am 12. September zelebriert werden sollte, ab.
Am Donnerstag, 13. September, beteiligten sich 500 Menschen an
einer Schweigekundgebung vor dem balearischen Regierungssitz.
Flugangst machte sich breit. Wer nicht dringend die Insel verlassen
musste, blieb oder nahm das Schiff. Bis zu 20 Prozent weniger
Passagiere wurden an dem ersten Wochenende nach den islamistisch
gesteuerten Anschlägen auf Mallorcas Flughafen Son Sant Joan
abgefertigt.
Wer flog, brauchte viel Geduld. Kaum eine Maschine, die
pünktlich starten konnte. Lange Schlangen bildeten sich vor den
Sicherheitsschleusen. Noch nie zuvor wurden die Passagiere so
penibel gefilzt wie an diesem Wochenende. 141.000 Fluggäste mussten
sich einem 150-prozentigen Check unterziehen und drei
Sicherheitsabschnitte passieren, ehe die Maschine betreten werden
durfte.
Jedes Hand-Gepäckstück wurde eindringlich auf das Mitführen
spitzer oder gefährlicher Gegenstände durchleuchtet. „Wir waren
angewiesen, auf Messer, Rasierklingen, Scheren und alles, was uns
verdächtig erschien, zu achten”, sagte ein Mitarbeiter einer
privaten Sicherheitsfirma, die mit der Verstärkung des
Airportpersonals beauftragt worden war. Stichprobenartig wurden
auch Ausweispapiere verlangt.
Anschließend wurde das Gepäck noch einmal manuell kontrolliert,
bevor in der dritten Stufe Hunde nach versteckten Sprengstoffen
schnüffelten. Auch kam kein Koffer in den Flugzeugbauch, der nicht
mehrfach untersucht worden war.
Auf Mallorcas höchstem Berg herrschte Alarmbereitschaft. Der
amerikanische Horchposten auf dem Puig Major überwacht den
kompletten Mittelmeerraum. Im Falle eines amerikanischen
Gegenschlags gegen Terroristen in Afghanistan oder dem Irak hätte
die Station eine strategische Bedeutung in der Koordination der
Angriffe gehabt.
Wenngleich auf Mallorca-Flügen keine sogenannten Luft-Marshalls
zum Einsatz kamen, sind noch heute viele der damals eingeführten
Kontrollen in Kraft und neue hinzugekommen.
Die Angst fliegt immer noch mit. Einen absoluten Schutz vor
Terrorakten gibt es nicht, das haben die vielen Attentate nach dem
11. September 2001 bewiesen. Zuletzt am Montag in Jordanien. Daran
wird sich auch mit noch so viele Kontrollen, Ausweisen mit
biometrischen Daten und Rasterfahndung nichts ändern. Bürgerrechte
und Antiterrorgesetze liegen weiter miteinander im Clinch.
Da wundert ein sich mehr und mehr breitmachender Fatalismus
nicht. Manche brauchen für ihre persönliche Abgestumpftheit
lediglich länger.
Während in Deutschland die Attentate von New York über Wochen
den Alltag beeinflussten, gingen die Spanier schneller wieder zur
Tagesordung über. Bereits einen Tag nach dem WTC-Schock flimmerten
die üblichen Soaps und Corridas über die Bildschirme. Spanien ist
den USA nur geografisch näher als Deutschland.
Erst als am 11. März 2004 in Madrider Vorortzügen 191 Menschen
durch mehrere Bomben radikaler Islamisten zerfetzt worden waren,
erwachte das Land endgültig. In einer noch niemals da gewesenen
Solidaritätswelle sprach sich die Bevölkerung des Landes gegen den
Terror aus. Auch Spanien wurde mit dem Massaker der Krieg erklärt,
aber einen militärischer Gegenschlag hätten die Menschen
hierzulande ihrer Regierung niemals verziehen, so groß die Wut und
Trauer auch gewesen war.
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