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Khalood Elflow sitzt vor dem Brett und macht Faxen. Das junge Mädchen guckt gelangweilt in der Gegend herum, dann grinst sie und streckt ihrer Gegnerin Akemi Matsou sogar die Zunge raus. Doch dass die Schacholympiade, die zur Zeit in Calvià ausgetragen wird, kein Kinderspiel ist, merkt die Libyerin schnell. Gegen die nicht sonderlich starke Japanerin muss sie aufgeben. Am Ende trennen sich die beiden exotischen Schachnationen schiedlich, friedlich mit 1'5 zu 1'5.

Überhaupt ist der Wettstreit von 138 Schachnationen eine ernsthafte Angelegenheit. Im Casino de Mallorca in Magaluf sitzen sich noch bis zum 30. Oktober die Herren und Damen in getrennten Sälen gegenüber, die Spitzenpartien werden auf der erhöhten Bühne ausgetragen.

Kein Spaß sind auch die Sicherheitsvorkehrungen. Die Polizei kontrolliert alle Personen, die das Casino betreten wollen, freundlich aber bestimmt. Sämtliche Taschen werden wie am Flughafen durchleuchtet, die Akkreditationen sorgsam betrachtet. Die Zeiten haben sich eben auch im Schach geändert, wenn Mannschaften aus Ländern wie Iran, Iraq und den USA am Start sind, erst recht.

Die große Schach-Familie hat recht unterschiedliche Mitglieder. Da stehen vor der Sicherheitskontrolle tiefverscheierte Frauen neben leicht geschürzten Geschlechtsgenossinen, die man viel eher auf einer Modenschau, wenigstens aber auf einer Party erwarten würde. Erstaunlicherweise unterhalten sie sich mit einem türkischen Delegationsmitglied – sie selbst tragen keine Akkreditation um den Hals, das würde schließlich das Dekolleté verschandeln.

Das Schachvolk ist bunt. Die Russin Alexandra Kostniuk etwa, eine der besten Spielerinnen der Welt, hat ihre Fingernägel in den Landesfarben lackiert. Nicht nur deshalb wird sie viel fotografiert: Sie ist bildhübsch und verdient ihr Geld auch als Model. Die Vietnamesinnen sind die einzigen, die geschlossen im Nationaltrikot auflaufen. Und Duane Rowe aus Jamaika sieht aus wie der jüngere Bruder von Bob Marley.

Zu Beginn jeder Runde trägt der strenge Oberschiedsrichter, Ignatius Leong aus Singapur, die Regeln vor: Wer seine Partie beendet hat, muss den Saal verlassen, sonst droht eine Sperre.

Dann geht es los. Sowohl im Saal der Damen als auch bei den Herren hört man das stetige Klicken der Schachuhren, die die Spieler nach jedem Zug betätigen. Je länger die Partien dauern, desto länger wird nachgedacht, und das Klicken wird seltener.

Nachgedacht wird auch außerhalb der Spielsäle. Auf den Tribünen verfolgen Zuschauer und Begleiter die Partien, die auf den Großbildleinwänden gezeigt werden, flüsternd wird analysiert. Aber es sind nur die wichtigsten Begegnungen zu sehen, die Mannschaften, die unter der Tribüne sitzen, spielen sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Im Pressezentrum kann laut diskutiert werden. Eine Gruppe Russen sitzt vor dem Computer und verfolgt gespannt die Live-Berichte im Internet. Die Spiele ihrer Mannschaft, an Nummer eins gesetzt, sind immer zu sehen. Einer vertreibt sich auch die Zeit mit Online-Poker, manche schreiben zwischendurch private E-Mails.

Nach 90 Minuten einigen sich die ersten Spieler auf Remis, die Vorhalle beginnt sich langsam zu füllen. Auch auf den Tribünen steigt die Spannung. Spitzenspieler wie der Spanier Alexei Schirow oder der Russe Alexander Morozewisch laufen umher, kiebitzen bei anderen Partien.

Je mehr Spiele beendet werden, desto voller wird es draußen. So leise es in den Spielhallen zugeht, umso lauter wird der Lautstärkepegel in der Vorhalle. Vor die Tür geht kaum einer, schließlich müsste man sonst durch die Sicherheitskontrolle, wenn man wieder rein will.

Schach können sie alle. Auch die kleine Khalood Elflow. Gegen Claudia Urbina aus Honduras gewinnt sie mit den schwarzen Steinen. Damit holt sie einen von 5'5 Punkten für ihr Team und hat entscheidenden Anteil daran, dass in der Zwischentabelle noch sechs Teams hinter Libyen stehen.