Ein Selbstmordattentäter sprengt sich auf dem Flughafen von
Palma in die Luft und richtet schwere Verwüstungen an. Die Hunde
aus dem vereisten Norden machen mit ihrem Drachenboot am sonnigen
Gestade der Insel fest. Ein junge Frau setzt mit dem Brausekopf der
Dusche den Lover ihrer Schwester ausgerechnet beim Urinieren außer
Gefecht. Und ein junger Mann bringt seiner Mutter schonunglos bei,
dass er homosexuell ist. Das alles sind Episoden aus Comic-Heften,
wie sie von mallorquinischen Zeichnern geschaffen worden sind.
Häufig spielt die Handlung selbst auf der Insel.
Der Drang zu schrägen Geschichten in bunten Bilderfolgen bricht
sich ungestüm freie Bahn. In der Szene regt es sich. Allein im
vergangenen Halbjahr brachten die auf der Insel lebenden Zeichner
eine ungewöhnliche Fülle an neuen Produktionen heraus, beobachtete
Joan Miquel Morey von der Comic-Handlung Norma in Palmas Carrer
Nuredduna 7. „Es herrscht derzeit ein regelrechter kreativer
Dynamismus. Und auf Mallorca leben pro Quadratmeter mehr
Comiczeichner als im Vergleich zu den anderen spanischen
Regionen.”
Eine der Prunk-Veröffentlichungen der jüngsten Zeit ist das
großformatige Werk des Zeichners Pere Joan. Nach Jahren der
kreativen Abstinenz hat der 48-Jährige mit „Azul y Ceniza” (Blau
und Asche, Inrevés Edicions, 24 Euro) einen 68 Seiten starken
Bildband kreiert, in dem es vielschichtig um authentische und
fiktive Biographien von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte geht.
Allen gemeinsam ist, dass sie zwar für ein Ideal starben, ihr Leben
aber letztlich sinnlos opferten. Pere Joan steht stilistisch der
klassischen Tradition nahe und zählt wegen seiner Farben sowie
seiner Poesie zu den anerkanntesten Comic-Zeichnern Europas.
Vor zwei Monaten erschien die Monographie von Pau (Rodríguez),
„Escápula Greatest Hits” (Edicions de Ponent, 14 Euro). Wie kaum
ein anderer Zeichner nimmt der 30-jährige Mallorquiner seine
Heimatinsel mit spitzer Zeichenfeder aufs Korn. In seinen
ironisierenden Geschichten kriegen sowohl die Bergziegen als auch
die Ur-Mallorquiner ihr Fett ab; ganz zu schweigen von den
Abenteuern des waldschratigen Bösewichts Munnar. Paus kolorierte
Arbeiten weisen beste Farbqualitäten und irrwitzige Pointen auf.
„Er ist der geborene Erzähler”, findet auch Joan Morey.
Besten Zugang zur Zeichnerszene hat der Comic-Händler über
seinen jüngeren Bruder Tomeu Morey. Der 26-Jährige hat vergangene
Weihnachten sein erstes Album, „Prólogo de una historia” (Editorial
17x24, 11'95 Euro) veröffentlicht. Morey zeichnet nicht nur,
sondern kombiniert seine Bilder – gänzlich unorthodox – mit
Guaschen–, Acrylfarben– und Kohlezeichnungen ebenso wie mit
Reproduktionstechniken der Bildbearbeitung und der Fotografie.
Dadurch entstehen surreale, geradezu ungeahnte Landschaften.
Von Guillermo March erschien vergangene Woche der letzte Teil
der Trilogie, „Sofia”, „Ana” und „Victoria” (Dolmen Editorial, 2'75
Euro). In jedem der drei Bände schildert der Zeichner die Irrungen
und Wirrungen dreier Mallorquinerinnen von heute. Die Studentinnen
sind genervt von Eltern und Geschwistern, an der Uni droht ihnen
das Prüfungsdebakel, und der ersehnte Liebhaber erweist sich als
Windei. In kühlen, kraftvollen Bildern lässt der 24 Jahre alte
March Selbsterlebtes sowie Erzählungen aus dem Freundeskreis Revue
passieren – mit einer ordentlichen Prise schwarzen Humors.
Nach dem Niedergang der Nachfrage nach Comics Ende der 80er
Jahre sieht sich die Comic-Branche seit 1995 wieder im Aufwind.
„Kinofilme wie Spiderman oder Hulk haben uns Jungleser zugeführt.
Und auch die Erwachsenen greifen wieder stärker zu”, sagt Joan
Morey. „Die Branche”, so der Händler, „erfreut sich eines soliden
Wachstums.”
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