Es ist wie immer eine Frage der Definition. Aber gehen wir doch
einmal davon aus, dass man Freund nur nennt, wer einem wirklich am
Herzen liegt. Freundschaften, das sind Beziehungen, die einiges
aushalten sollten. Eine geographische Trennung zum Beispiel. Eine
Trennung, wie sie Deutsche vollziehen, wenn sie nach Mallorca
ziehen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist, aber ich persönlich
habe in zehn Jahren Mallorca gelernt, mit dem Wort Freund sparsamer
umzugehen.
Dazu hat zunächst einmal eine Erfahrung beigetragen, die in
dieser Forme viele machen mussten: Von den zahlreichen „Freunden”
in Deutschland bleiben im Laufe der Zeit nur ganz wenige übrig. Ja
sicher, in den ersten Jahren sind die gegenseitigen Besuche noch
sehr zahlreich. Doch schon bald werden sie spärlicher.
Seltsamerweise sind es häufig die ganz alten Freundschaften, die
trotz der Entfernung Bestand haben. Die anderen schlafen schlicht
ein. Vielleicht waren sie es gar nicht wert, so genannt zu
werden.
Die zweite Erfahrung hat mit den neuen Bekanntschaften auf
Mallorca zu tun. Wer in die Fremde geht, öffnet sich normalerweise
leichter, um die neue Situation schneller „in den Griff” zu
bekommen. Man sehnt sich nach Menschen in seiner Nähe. Da kommt es
dann gerade recht, dass man sich, den Gebräuchen der Insel folgend,
schon beim ersten Bierchen duzt. So wird aus dem Gegenüber schnell
ein Freund, den wir allerdings lieber wieder in Anführungszeichen
setzen sollten. Vor allem unter Deutschen auf Mallorca sind solche
schnellen Bekanntschaften gang und gäbe.
Nach meiner Beobachtung sind viele dieser „Freundschaften”, die
in der alten Heimat meist nicht einmal das Stadium des „Du”
erreicht hätten, trügerisch. Ich habe in meiner Umgebung jedenfalls
Dutzende von scheinbar guten Beziehungen erlebt, die nichts
ausgehalten haben. Viele, die sich Freunde nannten, schauten sich
schon Wochen nach dem Brudertrunk nicht einmal mehr an.
Die Moral von der Geschicht? Die Erfahrungen mit den
(ehemaligen) Vertrauten in der alten und der neuen Heimat sollten
uns davor warnen, allzu inflationär mit dem Wort Freund umzugehen.
Und sie können uns lehren, echte Freunde mehr zu schätzen. Denn sie
sind rar, sehr rar.
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