Mit dem regierenden Fortschrittspakt geht es zurück in die
Vergangenheit, zumindest verkehrstechnisch. Die gute, alte
Eisenbahn erlebt auf Mallorca eine Renaissance. Die derzeit rund 73
Gleiskilometer sollen in den nächsten acht Jahren schrittweise
verdoppelt werden. Die Gründe hierfür liegen auf der Straße: Die
Balearen haben mit 802 gemeldeten Fahrzeugen pro 1000 Einwohner
(Stand: Dezember 2001) den üppigsten Fuhrpark Spaniens. Wollte man
dem totalen Verkehrskollaps entgehen, musste man sich entscheiden –
mehr Geld für die Bahn oder zusätzliche Autobahnkilometer. Das
Rennen machte der Zug.
Läuft alles weiter nach Plan, wird noch im April in Manacor die
26 Jahre andauernde bahnlose Ära zu Ende gehen. Als man 1977 dem
Abschnitt Inca-Manacor das Leben ausblies, sprach man optimistisch
von „vorübergehend”. Heute begründet Antonio Santos,
Geschäftsführer der staatlichen Bahngesellschaft SFM (Serveis
Ferroviaris de Mallorca) dies mit rechtlichen Überlegungen: Die
Strecke konnte auf diese Weise nicht angetastet werden, eine
Zerstückelung in Parzellen und der anschließende Verkauf waren
somit ausgeschlossen. Langwierigen und kostspieligen
Enteignungsprozessen konnte man damit gut zwei Jahrzehnte später
entgehen.
Nur die Gleise machten nicht mit, der Zahn der Zeit nagte zu
sehr an ihrer Substanz. „Wir mussten die Gleisanlage samt Gleisbett
austauschen”, sagt Santos, „der Streckenverlauf wurde aber fast
nicht geändert”. Wäre es in Petra nicht fast zu einem Bürgerkrieg
gekommen um die Frage ,,durchs Dorf oder außenrum?”, wäre die
historische Wiederbelebung der Strecke perfekt gewesen. Die
Befürworter einer Umgehungstrasse setzten sich durch, die rund 30
Kilometer lange Strecke bekommt nun 500 Meter angehängt.
Gesamtkosten des Projekts: knapp 32 Millionen Euro.
Noch grübelt man beim SFM über Fahrpläne und Preissystem. Nur
bei der Fahrzeit will sich Santos jetzt schon festlegen: „Weniger
als eine Stunde von Palma nach Manacor.” Dazwischen liegen 15
Bahnhöfe, von denen einige von Express-Zügen seltener angefahren
werden sollen. Die Details soll die Auswertung einer Telefonumfrage
klären, so Santos. Vielfahrer will Santos mit Monatstickets und
Streifenkarten ausstatten, verbunden mit „Preisnachlässen von bis
zu 40 Prozent”. Bis 2004 erwartet er dank der neuen Strecke eine
Million Fahrgäste mehr im Jahr und damit den Sprung über die
Drei-Millionen-Marke.
Bleibt dann nur noch die Frage, wie der Fahrgast zum Zug kommt.
Zwischen Inca und Manacor wird nur in Sineu und Petra gehalten. „Zu
den umliegenden Orten wird es Zubringerbusse geben, wie etwa
zwischen Alaró und dem Bahnhof Consell”, sagt der Bahnchef. Auf
Parkmöglichkeiten angesprochen, muss der gesprächige Santos
allerdings passen. „Gute Frage”, fällt ihm dazu ein.
Da spricht er doch schon lieber über die anderen drei Projekte,
die in den nächsten zwei, drei Jahre Wirklichkeit werden sollen. Am
weitesten fortgeschritten sei die Verbindung Palma-Universität
(UIB). Der Inselrat arbeitet derzeit an einem 8'6 Kilometer langen
Strecken-Projekt, das einmal etwa 5400 Studenten täglich zur
Vorlesung befördern soll. „Anfang 2004 wollen wir spätestens mit
dem Bau beginnen”, so Santos zum Zeitplan. Ein Teil der Strecke
soll unterirdisch verlaufen, die Kosten schätzen Experten auf rund
27 Millionen Euro.
Die staatliche Bahngesellschaft will sich aber nicht mit ihren
zwei Endstationen Sa Pobla und Manacor abfinden. „Wir wollen ans
Meer”, fasst Santos die Erweiterungspläne Richtung Alcúdia
respektive Cala Rajada zusammen. Beide Vorhaben werden gerade
verschiedenen Studien unterzogen. Die Projekte seien aber „so gut
wie beschlossene Sache.” Damit würde erstmals in der Geschichte
Mallorcas neben Palma ein weiterer Hafenort angefahren werden.
Apropos Palma. Auch die anschwillende Balearenmetropole hat die
Vorzüge des Schienenverkehrs entdeckt. In fünf Jahren will der Chef
der Öffentlichen Verkehrsbetriebe EMT, Pedro Álvarez, die
Innenstadt mit El Arenal verbunden haben. „Ab zehn Millionen
Fahrgäste im Jahr lohnt sich das auch wirtschaftlich.” Die moderne
Bimmelbahn soll über die Avenidas fahren und die Buslinien 1, 17
und 15 ablösen. Auch hier gibt es (fast) kein Zurück mehr: „Die
Planungen laufen seit vier Jahren”, so der EMT-Boss.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.